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330 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
gen. Er konnte die Schwäche der Awaren nach der Niederlage von Konstantinopel
626 zur Vergrößerung dieses Reiches ausnutzen, das sich Mitte des 7. Jh. wohl vom
mährischen Raum bis zu den Ostalpen erstreckte. Aus den Quellen wird ersicht-
lich, dass er sich der slawischen Kultur völlig angepasst hatte und diese auch stolz
nach außen trug : Er war nicht (mehr ?) christlich, hatte mehrere Frauen und frän-
kische Gesandte wurden erst vorgelassen, nachdem sie sich in slawischer Tracht
gekleidet hatten.173
Die Slawen wiederum übernahmen vieles von der romanischen Kultur. Beispiele
dafür sind etwa die Keramikformen des 7. Jh., die eine Rezeption romanischer
Töpfertechniken und Verzierungen zeigen. Die typische Kammstrichverzierung ab
dem 8. Jh. geht auf spätantike Vorbilder zurück.174 Die slawische Keramikproduk-
tion war anfangs nicht spezialisiert und, wie auch die der romanischen Einheimi-
schen in Binnennoricum, eine Haushaltsproduktion.175
Trotzdem wird eine nicht geringe Menge an Slawen eingewandert sein, denn
die Ostalpen wurden von den Zeitgenossen des 8. Jh. ganz als slawisch wahrge-
nommen. Ein so schneller Wechsel scheint nur mit einer substanziellen Einwande-
rung möglich. Eine kulturelle Vorbildwirkung kann sich schließlich nur einstellen,
wenn es genügend Vorbilder gibt.
Der Sprachwechsel von Romanisch zu Slawisch spräche ebenfalls für einen grö-
ßeren Zuzug neuer Bevölkerungsteile. Das Romanische hatte im Laufe des 7. Jh. an
Bedeutung verloren, sodass zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in
den von den Awaren eroberten Gebieten nicht mehr Latein, sondern Slawisch als
lingua franca üblich wurde.176 Doch eine neue Sprache kann sich nur dann durch-
setzen, wenn es auch genügend Muttersprachler gibt. Das Romanische hielt sich
aber sicherlich noch längere Zeit, wie zahlreiche Ortsnamen zeigen. Einerseits
handelt es sich um Orte, die von Romanen selbst bewohnt wurden und analog zu
den Walchenorten des Voralpenraumes nach den Bewohnern benannt wurden, an-
dererseits um Ortsnamen, die einen romanischen oder vorromanischen Ursprung
haben und ins Slawische übersetzt wurden.177
173 Fredegar IV 48 und 68 ; Pohl, Awaren 256 ff. Umgekehrt gab es beispielsweise am südlichen Bal-
kan, wo die spätantike Stadtkultur noch sehr vital war, Slawen, die sich der byzantinischen Kultur
anpassten und griechisch sprachen. Waldmüller, Die ersten Begegnungen der Slawen 331.
174 Szameit, Die Karantanen und Donauslawen 321.
175 Brather, Früh- und hochmittelalterliche Keramik 114, 119. Über die Methode, mittels Keramiktypen
Aussagen zur ethischen Zugehörigkeit zu machen, herrscht im Moment eine archäologische Dis-
kussion. Curta, The Making of the slavs 229 ff.
176 Pohl, Awaren 224 ; Gleirscher, Karantanien 66.
177 Gleirscher, Karantanien 64 ; Kronsteiner, „Alpenromanisch“ 76 ff.; Mader Alpenslawen 129 und
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361