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Der Ostalpenraum : Von Binnennoricum zu Karantanien 343
Viel diskutiert ist der sogenannte Fürstenstein – ein umgedrehtes römisches
Säulenfundament – und das damit zusammenhängende Ritual der Fürsteneinset-
zung und die möglichen Ursprünge im karantanischen Reich des 7. und 8. Jh. Doch
datieren die ersten Quellen, die über dieses Ritual berichten, aus dem 13. Jh. und
damit fast 500 Jahre nach dem Ende des karantanischen Reiches. Daher scheint es
zu spekulativ, aus dem Ritual weitreichende Erkenntnisse über die karantanische
Herrschaftsstruktur ableiten zu wollen.264
Die Eliten sind jedenfalls im 9. Jh. voll ausgebildet, wie man an den teilweise
prächtigen Grabbeigaben und Herrschaftszentren erkennen kann. Wie in Böhmen
und Mähren265 sowie im Donauraum266 kommt es zur Schaffung von Burganlagen,
die auch aus den Quellen bekannt sind. Diese Anlagen stammen aus dem 9. Jh.
und damit aus einer Zeit, als es keinen eigenen karantanischen Fürsten mehr gab.
Beispiele sind etwa der Hochgosch, Karnburg und Moosburg267 oder die im nord-
östlichen Voralpenraum gelegene Anlage in Thunau/Gars.268 Eine kleinere Anlage,
die zusätzlich auch Spuren einer spätantiken Befestigung zeigt, wurde 2001 bei der
Kirche St. Helena in Dellach/Gailtal ergraben.269 In den Ostalpen dürften noch
einige bislang unbekannte Anlagen existieren, wie beispielsweise die mittelalter-
liche Wehranlage unbekannten Datums im Palten/Liesingtal.270 Die in der Con-
versio erwähnte civitas Liburnia wird meist als „Burg Teurnia“ übersetzt.271 Diese
Befestigung wäre dann im 8. Jh. entstanden und damit eine sehr frühe Erscheinung
einer slawischen Burg.272 Vielleicht wurden aber Verhältnisse des 9. Jh. in das 8. Jh.
rückprojiziert und es war tatsächlich der nahe gelegene Hochgosch gemeint.
264 Skeptisch : Wolfram, Conversio 87 ff.; Brunner, Herzogtümer und Marken 32 ; Ablehnend : Geary,
Slovenian Gentile Identity ; Optimistisch : Kahl, Der Staat der Karantanen 155 ff.
265 Profantová, Die Ausbildung herrschaftlicher Strukturen 294 ; Poláček, Burgwälle 289 ff.
266 Gleirscher, Karantanien 82.
267 Eine genauere Datierung ist kaum möglich. Gleirscher, Karantanien 77 f.
268 Siehe dazu beispielsweise Szameit, Gars-Thunau.
269 Jernej, Die Wallanlage bei Dellach im Gailtal 496 f.
270 Klemm, Montanarchäologie ; Weitere bislang unerforschte Anlagen befinden sich beispielsweise in
Pfannsdorf. Kahl, Das Fürstentum Karantanien 45, 49.
271 Conversio ed. Wolfram c. 5. Die Wallburgen des westslawischen Raumes werden in den lateinischen
Quellen meist civitas genannt. Lecziejewicz, Herkunft und Gliederung 235.
272 Allerdings werden die Anfänge der mährischen Burgwälle schon in das 8. Jh. gesetzt. Poláček,
Burgwälle 289.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361