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346 Resümee
vorgekommen sein. Erst als in karolingischer Zeit wieder vermehrt die antiken
Vorbilder rezipiert wurden, nutzten die Autoren und Autorinnen gerne die Be-
schreibung der wilden Alpen, um deren Überwindung als außergewöhnliche Leis-
tung von Königen oder Heeren darzustellen.
Aber noch ein weiterer Topos ging durch den „neuen“ Blick von Norden auf
die Alpen verloren. Von der niedrigen und flachen Poebene aus erhebt sich das
Gebirge schnell steil und hoch. Dieser geografische Umstand sowie die Angriffe der
Alpenbewohner des ersten Jahrtausends vor Christus bildeten die Grundlage für
den antik-römischen Mythos der Alpen als „Mauern Italiens“. Im Gegensatz dazu
sahen die von Norden kommenden Menschen zuerst das sanfte Hügelland der
Voralpen, hinter dem sich die höheren Alpengipfel verstecken und somit nur selten
sichtbar sind. Zusätzlich ließ der veränderte politische Zugriff auf die Alpen und
die italienischen Regionen diesen Topos verschwinden : Die Alpen und bald auch
Italien waren nun politisch den nördlichen Reichen zugeordnet und die „Mauer“
damit obsolet geworden. Genauso verschwanden die „wilden Alpenbewohner“.
Nach fast 500 Jahren Zugehörigkeit zum römischen Reich galten die Menschen,
die im Gebirge lebten, nun zwar als „ländlich“, aber nicht mehr als „barbarisch“ und
„wild“. Die Bevölkerung war nun in wesentlichen Punkten „romanisch“ : Sie sprach
einen lateinischen Dialekt, die Verwaltung lag nach römischen Gepflogenheiten in
städtischen Zentren, das Recht war römisches Provinzialrecht und die Bevölkerung
war christlich. Die christlichen Strukturen orientierten sich nach Süden, an den
Erzbistümern Turin und Mailand sowie an dem Patriarchat Aquileia.
Ab dem 6. Jh. änderten sich diese Verhältnisse. Das römische Reich war nun in
Teilstücke zerfallen, die im Alpenraum von Franken, Alemannen, Baiern, Lango-
barden, Byzantinern, Awaren und Slawen beherrscht wurden. Dementsprechend
wurden auch die verschiedenen Regionen des Alpenraumes unterschiedlichen
politischen Sphären zugeteilt. Diese neue Ordnung machte aus einigen Tälern
der Alpen Grenzregionen. Um die Wege über die Alpen und die Territorien zu
schützen und zu verteidigen, wurden ganz speziell für die Alpen zugeschnittene
Verteidigungssysteme errichtet : Sperrfesten in den Talengen an den Ausgängen
der großen Passrouten sowie eigens für die Bewachung der Pässe und Clusen ein-
gesetzte Menschen. Diese „Bergwächter“ konnten Einheimische sein, von ihnen
gibt es noch im 8. Jh. deutliche Spuren beispielsweise im Salzburger Raum, oder
auch speziell dafür ausgesuchtes und zugesiedeltes Militär vom Flachland. An den
südlichen Ausgängen der Alpen sind aus schriftlichen und archäologischen Quel-
len zahlreiche gotische Truppen bekannt, die die Übergänge bewachten. Hier ging
es nicht nur um militärische Aufgaben sondern auch um die Einhebung von Zöllen
und die Kontrolle der Reisenden, also um wirtschaftliche Interessen.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361