Seite - 11 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 11 -
Text der Seite - 11 -
I. EINLEITUNG1
„Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen
– und in dieser Position fin-
den sich die deutschnationalen Österreicher gerade heute wieder
– wurde einer frei-
heitlichen Gesellschaftsordnung von jeher wenig Bedeutung beigemessen.“ Diese
Feststellung aus einem internen Bericht Norbert Gugerbauers für seine Burschen-
schaft der Oberösterreicher Germanen in Wien von 19752 enthält gleich mehrere Kern-
merkmale burschenschaftlicher Weltsicht in Österreich : die Selbstwahrnehmung als
Außenposten ‚deutschen Volkstums‘ ; die Empfindung , mit dem Rücken zur Wand
zu stehen ; die Auffassung vom Kampf als Dauerzustand des eigenen Daseins ; das
Er leben dieses Kampfes nicht als Resultat eigener Aggression , sondern als defen-
siv , von anderen aufgezwungen ; sowie die Priorisierung ( deutsch-)‚nationalen‘ Stre-
bens auf der eigenen politischen Agenda , respektive die Zurückstellung von ‚Frei-
heit‘ zugunsten nationaler ‚Einheit‘ im burschenschaftlichen Wertegebäude. Der
Urheber des Zitats illustriert zudem die enge Verbundenheit von Burschenschaften
und Freiheitlicher Partei Österreichs ( FPÖ ), die für die politische Relevanz der Ers-
teren nach 1945 essenziell war.3
Im selben Jahr , in dem Gugerbauer seinen Bericht niederschrieb , legte Heinrich
Drimmel , vormaliger österreichischer Unterrichtsminister ( und Korporierter im Öster-
reichischen Cartellverband/ÖCV ), seine Autobiographie vor. „Man kann die Geschichte
des Politischen in Österreich nicht richtig verstehen lernen , wenn man nicht einen sehr
gründlichen Einblick in die Geschichte des Studententums , namentlich des Korpo-
rationswesens hat“, stand darin zu lesen.4 Diese Einschätzung hat über den Zeitraum
der Zweiten Republik sicherlich an Gültigkeit eingebüßt. Gerade das völkische Ver-
bindungswesen , seit dem Aufkommen von Parteien in Österreich organisiertes Rück-
grat einer Vielzahl völkischer und ( zunächst auch ) liberaler Initiativen , konnte nach
1945 nicht mehr an seine frühere politische Bedeutung anschließen. Dennoch hinter-
ließen nicht wenige seiner Vertreter Spuren in der österreichischen Zeitgeschichte –
von den Südtirolterroristen um Norbert Burger über die Verstaatlichten-Generaldirek-
1 Für eine ausführlichere Darstellung der auf den folgenden Seiten nur gerafft wiedergegebenen ( hand-
lungs-)theoretischen Vorannahmen , des Erkenntnisinteresses , der Gegenstandsbestimmung , des For-
schungsdesigns , quellenkritischer Überlegungen und zentraler Begrifflichkeiten der dem Buch zugrunde
liegenden Dissertation vgl. ebendiese : Weidinger 2013 , 1–49.
2 Zit. in Oberösterreicher Germanen 1994 , 60–71 , hier : 62.
3 Gugerbauer fungierte in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren für die FPÖ u. a. als Generalsekretär , stell-
vertretender Bundesparteiobmann und Klubobmann im Nationalrat.
4 Drimmel 1975 , 170.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619