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VI. Abschließende Überlegungen
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sätzlichen Kompatibilität von Politik im liberal-demokratischen Sinn mit der burschen-
schaftlichen Idee in ihrer in Österreich hegemonialen Auslegung.1
VI.1 Die politische Bedeutung der Burschenschaften in Österreich
Burschenschaften waren als solche ( nicht aber als Kaderschmieden für und Lobby in-
nerhalb der FPÖ ) in der Zweiten Republik politisch weitgehend bedeutungslos , auf
Brauchtumspflege und institutionelle Selbsterhaltung zurückgeworfen
– so eine in die-
sem Buch mehrfach getätigte Einschätzung. Sie lässt sich nicht nur mit ( inhaltlich
fragwürdigen ) Umfragedaten2 , sondern , wie nachfolgend gezeigt wird , auch mit zahl-
reichen entsprechenden Selbsteinschätzungen untermauern. Überlegungen , wie der ei-
genen Irrelevanz beizukommen sei , ja ob es überhaupt „noch sinnvoll wäre , nur noch
systemerhaltend , aber ohne wirkliche Zukunftsperspektive und die Möglichkeit echte
burschenschaftliche Arbeit zu verrichten , weiter zu machen“3 , wurden vielerorts und
immer wieder gesponnen , abgelöst von Momenten des Optimismus , der meist auf An-
zeichen einer ( kurzfristigen ) Trendumkehr in der über die Jahrzehnte hinweg negativen
Personalentwicklung gründete. Klagen über politische Entleerung , fehlenden Aktivis-
mus und teilweise auch über unzureichende Auseinandersetzung mit dem Weltgesche-
hen und aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen ziehen sich quer durch den Un-
tersuchungszeitraum.
Wie in Kapitel II geschildert , erfolgte die Wiedererrichtung der Bünde nach 1945 in
von ihnen selbst nicht erwarteter Geschwindigkeit und auch durchaus als überraschend
zu wertendem Umfang. Begünstigt wurde sie durch die solidarische Haltung konserva-
tiver Bildungseliten und sozialdemokratische Parteiinteressen , durch den Wettstreit der
Großparteien um die ‚Ehemaligen‘ und das Einsetzen des Kalten Krieges sowie nicht
zuletzt durch eine gesellschaftlich dominante Haltung , die sich an einer konsequenten
Ahndung der nationalsozialistischen Verbrechen nicht interessiert zeigte – und umso
weniger noch an einer gründlichen Aufarbeitung der Ursachen des Geschehenen. Die
1 Einmal mehr sei an dieser Stelle daran erinnert , dass diese hegemoniale Auslegung nicht notwendig
Mehrheitsmeinungen unter Burschenschaftern widerspiegelt , sondern auf das Spektrum der öffentlich
wahrnehmbaren und innerhalb des Burschenschaftswesens sagbaren Positionen verweist.
2 2011 befragte das IMAS-Institut 1.048 repräsentativ aus der österreichischen Bevölkerung ausgewählte
Personen , welchen aus einer Reihe vorgegebener Organisationen sie „relativ viel Bedeutung und Ein-
fluss in Österreich“ zusprechen würden. Nur elf der Befragten stuften die Burschenschaften als be-
deutend bzw. einflussreich ein. Allerdings kamen Letztere damit noch vor dem Österreichischen Cartell-
verband ( 7 % ) und dem sozialdemokratischen BSA ( 9 % ) zu liegen , aber
– angesichts der traditionellen
Machtverhältnisse im ÖVP-Vorfeld durchaus paradoxerweise – hinter dem Akademikerbund ( 14 % ).
( Vgl. IMAS 2011 , 1a )
3 Gernot Florian in Gothia 1992 , 7.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619