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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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ein Zitat von Gerhard Wirl ( Silesia Wien und Arminia Czernowitz zu Linz , langjähri-
ger Obmann der Vereinigung alter Burschenschafter [ VaB ] Salzburg sowie des Salzbur-
ger FAV ) von 1995 zum Ausdruck bringt :
In der ersten [ sic ] Republik , vielleicht auch noch in den 50er und 60er Jahren wurden die An-
liegen der Burschenschaft in Akademikerkreisen verstanden und je nach Standpunkt abge-
lehnt oder akzeptiert. Heute versteht man uns nicht mehr , allenfalls werden wir interpretiert.128
Auch der Cimber Eigner ortete in Sachen der großdeutschen Position der völkischen
Verbindungen „Unverständnis , auf das wir fast allerorts stoßen“, und vermutete einen
Grund dafür in „unsere( r ) bisherige( n ) doch eher ungeschickte( n ) Argumentations-
weise“.129 Wo Burschenschaften nicht Unverständnis , sondern Entrüstung von aus-
triazistischer und/oder antifaschistischer Seite ernteten , konnten sie sich zwar in ih-
rer Selbstwahrnehmung als Stachel im Fleisch der „ideologische( n ) Missgeburt“ ( Jörg
Haider ) bestätigt fühlen , die die ‚österreichische Nation‘ aus ihrer Sicht darstellte ; Pro-
pagandaerfolg im Sinne einer nachhaltigen gesellschaftlichen Verbreitung großdeut-
scher Regungen war ihnen jedoch auch damit kaum beschieden. Die Existenz einer
‚österreichischen Nation‘ wurde über den Zeitraum der Zweiten Republik von immer
weiteren Bevölkerungsteilen bejaht – zum Zeitpunkt des Mauerfalls bereits auch von
einer Mehrheit der FPÖ-WählerInnen.130
IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik
Geschichtspolitik wurde in Kapitel II.5 als Begriff zur Erfassung vornehmlich öffent-
lich ausgetragener Deutungskämpfe um geschichtliche Tatbestände eingeführt.131 Ei-
gentlicher Gegenstand dieser Auseinandersetzungen um Definitions- und Deutungs-
macht ( als Fähigkeit , eigene Konstruktionen von Vergangenheit möglichst allgemein
anerkannt zu machen ) ist Legitimität : „Im Kampf um die kollektive [ also gruppen-
und klassenübergreifende , Anm. B. W. ] Geltung ihrer Interpretationsangebote ver-
handeln die politischen Akteure um die Legitimität ihrer vergangenen , gegenwärti-
128 Arminenbrief , ( mutmaßlich ) Sommersemester 1995 , 4.
129 Cimbern-Zeitung Nr. 108 / 1989 ( Heumond/Juli ), 17. Vgl. die zuvor zitierten Ausführungen Eigners zu
deutschen und ‚deutsch-österreichischen‘ Gebietsansprüchen.
130 Vgl. Breuss/Liebhart/Pribersky 1993 , v. a. 556–558 bzw. zur FPÖ : 558.
131 Vgl. Bock/Wolfrum 1999 , 9 : „Das Erkenntnisinteresse von Geschichtspolitik richtet sich auf die öffent-
lichen Konstruktionen von Geschichts- und Identitätsbildern , die sich beispielsweise über Rituale und
Diskurse vollziehen , wohingegen gesetzgeberische und justizielle Handlungsoptionen weniger Beach-
tung finden.“ Hinsichtlich der historischen Begründung und Verfechtung von ‚Identitätsbildern‘ durch
Burschenschafter vgl. Abschnitt IV.2.2. Die Identitätsbildung nach innen ist vorrangige Funktion der
burschenschaftlichen Vergangenheitsbewältigung ( vgl. zu dieser Kapitel II.5 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619