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I. Einleitung
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immer ‚Burschenschaft‘ zu einem gegebenen Zeitpunkt an einem gegebenen Ort dar-
stellt , wurde von den ihr zu diesem Zeitpunkt Angehörigen nicht lediglich vorgefunden ,
sondern auch mitgestaltet – und sei es nur durch die stille Zustimmung zum jeweiligen
Status quo. Nicht umsonst weisen die Korporationsstudenten Jürgen Hatzenbichler und
René-Lysander Scheibe darauf hin , dass der „inhaltliche Zustand“ einer jedweden Ver-
bindung stets „von den Leuten ab( hängt ), die Mitglieder sind“30,
– oder bezeichnet der
ehemalige FPÖ-Politiker Waldemar Steiner ( Olympia Wien ) die Verbindung als „eine
unlösbare Gemeinschaft der gegenseitigen Beeinflussung. Die Burschenschaft beeinflusst
den einzelnen und der einzelne beeinflusst die Burschenschaft.“31
Individuelles Handeln außerhalb burschenschaftlicher Zusammenhänge mag somit
auf mehrfache Weise Rückschlüsse auf die Verfasstheit einer Burschenschaft bzw. der
Burschenschaften insgesamt zulassen. Diese Rückschlüsse werden allerdings stets an
den Daten zu belegen sein , wobei es zur Vermeidung eines Bias durch das Erkenntnis-
interesse sinnvoll erscheint , bei der Untersuchung individuellen Verhaltens zunächst
von der Irrelevanz des Burschenschafter-Seins auszugehen.
I.3 Methodische Erläuterungen
Wie bereits erwähnt , verfolge ich in diesem Buch eine sowohl deskriptive als auch inter-
pretative Zielsetzung und bediene mich dazu des Forschungsansatzes der Grounded
Theory. Theoretisch ist mein Erkenntnisinteresse in dem Sinne , dass verstehende Aus-
sagen über das Burschenschaftswesen in Österreich nach 1945 generiert werden sol-
len : ‚bereichsbezogene Theorie‘ ( bzw. substantive in Abgrenzung zu formal theory ) im
Sinne Corbins und Strauss’.32 Grundidee der Grounded Theory ist es , verstehende Aus-
sagen über den Gegenstand direkt am Material zu entwickeln , in dem dieser fassbar
wird. Dieser Maßgabe folgend , will ich dazu beitragen , ein bedeutendes Defizit bishe-
riger kritischer Forschung zu Burschenschaften in Österreich zu kompensieren : den
weitgehenden Verzicht auf eigenständige Quellenarbeit. Zudem steht Grounded The-
ory durch die Kombination von „Gegenstandsverankerung ( grounding )“ und „not-
wendige( r ) metho dische( r ) Strenge“33 für ein exploratives Vorgehen bei gleichzeitig
möglichst weit gehender Bewusstmachung und Neutralisierung von Vorurteilen und
Scheingewissheiten. Dies lässt den Ansatz für die Anwendung auf unterforschtem
und zugleich politisch hart umkämpftem Gebiet ideal erscheinen. Seine Eignung für
30 Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 6.
31 Steiner 1974 , 15.
32 Vgl. Corbin/Strauss 1996 , 146 sowie ebd., 13 f. zum Theoriebegriff.
33 Ebd., 39.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619