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III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt
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noch zugunsten anderer politischer Zwecke Relativierung erfährt. In seiner Verbreitung
weder auf Burschenschafter beschränkt noch auf den deutschsprachigen Raum599 , prägt
es die burschenschaftliche Weltsicht in Österreich seit dem von Cerwinka , Stimmer
und Berka konstatierten Umschwung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Letzt-
lich ist jeder konkrete Ausdruck burschenschaftlichen Denkens und Handelns an die
Idee des deutschen Volkswohls rückgebunden , weshalb auch sämtliche Abschnitte des
vorliegenden Buches sich in der einen oder anderen Weise auf das Primat des Völki-
schen beziehen. Seine Erörterung beschränkt sich daher nicht auf den vorliegenden
Abschnitt , findet aber wohl in ihm ihr Zentrum.600
III.7.1 Das Primat des Völkischen nach 1945
Die absolute Vorrangstellung völkischer Belange in der burschenschaftlichen Theorie
und Praxis blieb auch nach 1945 weitgehend unangetastet , wie bereits in den Kapiteln
II.5 und III.5 gezeigt wurde. Dies trotz der Erfahrung einer eben aus dieser Haltung
resultierten Einlassung mit dem Nationalsozialismus , beispielloser Menschheitsver-
brechen an aus der völkischen Gemeinschaft Ausgegrenzten und zweier von völ-
kischem Eifer getragener Aggressionskriege – und obwohl der Zusammenhang von
völkischem Denken und Nationalsozialismus verschiedentlich durchaus erkannt wur-
de.601 Begründet wurde das Festhalten am völkischen Nationalismus klassischerweise
damit , dass dieser in den erwähnten Ereignissen nicht etwa eine konsequente Voll-
endung erfahren hätte , sondern vielmehr über ein vermeintlich gesundes Maß hin-
aus zugespitzt und letztlich missbraucht worden sei. Das burschenschaftliche „Streben
nach Einheit und Freiheit des Deutschen Volkes“ an sich sei allerdings „rein geblie-
ben“, etwaige Übertreibungen des „völkische( n ) Gedanke( ns )“ dürften „nicht der Idee
selbst angelastet werden“.602 Zur Untermauerung dieser Sichtweise wurde auch auf an-
dere Manifestationen nationalistischen Denkens hingewiesen und dieses zu ontolo-
gisieren versucht : Die Nationalbewegungen im Trikont würden zeigen , dass „der na-
599 Vgl. etwa die Beurteilung Heribert Schiedels , wonach eine „um das Primat des ( deutschen ) ‚Volkes‘
gruppierte( ) Weltanschauung“ für den traditionellen österreichischen Rechtsextremismus insgesamt
kennzeichnend sei ( Schiedel 2007 , 29 ). Zum völkischen Denken außerhalb des deutschen Sprachraums
vgl. etwa die Analysen Magdalena Marszovskys zu Ungarn ( Marszovsky 2006 und 2010 ). Für den bur-
schenschaftlichen völkischen Nationalismus vgl. Heither/Schäfer 1997 , 247–262.
600 Zu den konkreten politischen Implikationen des Primats vgl. v. a. die Kapitel IV.2.2 , IV.2.4 , V.6 und VI.2.
601 Vgl. z. B. Teutonia 1968 , 92 und 95.
602 Berka in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1 / 1957 , 11 bzw. BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Dringlichkeits antrag
D ( Silesia , Stiria , Suevia , Libertas ) zum ( ord. ) ADC-Tag 1958 , Beilage zu ADC-Rundschreiben Nr. 8
( Albia ) vom 14. 4. 1958 , 1. Vgl. auch die Germanenmitteilungen , März 1967 , 11. Allerdings erkannte Berka
in der Verbindung von nationalem Fühlen und der „Humanitätsidee des 18. Jahrhunderts“ eine noch zu
verwirklichende Aufgabe ( Libertas 1967 , 243 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619