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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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den , wurde aber finanziell unterstützt. Heute ist der RFS eine der sogenannten Vor-
feldorganisationen der FPÖ.“119
In Summe erscheint es sinnvoll anzunehmen , dass das ostentative Pochen gerade der
Burschenschaften auf Unabhängigkeit bei gleichzeitiger ideologisch bedingter Alter-
nativlosigkeit ihrer Parteibindung nicht über einen einzigen Faktor erklärbar ist , son-
dern je nach Gegenüber unterschiedliche Funktionen erfüllen konnte : Gegenüber der
FPÖ diente es als Signal , dass die burschenschaftliche Unterstützung nicht bedingungs-
los zu haben , sondern von der Partei stets aufs Neue zu verdienen sei. An burschenschaft-
liche Kreise selbst gerichtet konnten die Distanzbekundungen als Mahnung dienen , sich
nicht ( erneut ) ganz in den Dienst einer bestimmten politischen Kraft zu stellen , zumal
man damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte.120 Gegenüber einer breiteren Öffent-
lichkeit schließlich war die Leugnung des engen Naheverhältnisses zur FPÖ zweckmä-
ßig , um Repressalien vom Einzelmitglied wie auch vom völkischen Verbindungswesen
insgesamt abzuwenden. Dies galt historisch umso mehr , je umfassender SPÖ und ÖVP
alle Sphären des öffentlichen Lebens dominierten und je weniger die FPÖ ihrer eige-
nen Klientel demgegenüber anzubieten vermochte. Als ideologisches Motiv ist schließ-
lich der strategische Rückzug auf eine metapolitische Ebene im Sinne des höchsten al-
ler burschenschaftlichen Ziele zu berücksichtigen : Da , so die entsprechende Überlegung ,
die ‚nationale Frage‘ nur durch völkische Einigkeit befriedigend gelöst werden könne , sei
sie aus der Parteienauseinandersetzung herauszuhalten
– und mit ihr ( jedenfalls weitge-
hend ) auch die Burschenschaften als Hüter des deutschen Volkstumsbekenntnisses. Diese
Überlegung geht gut mit der vorgenannten zusammen : Die Metaebene der Werte und
großen Grundsatzfragen zu bespielen bot sich besonders an , solange die Identifikation
mit der FPÖ durch Außenstehende eher Marginalisierung als Aufwertung versprach.
V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
In der Geschichtsschreibung zur FPÖ nehmen Verweise auf andauernde Richtungsstrei-
tigkeiten zwischen einem ‚nationalen‘ und einem ‚liberalen‘ Flügel einen festen Platz ein.
119 Lindinger 2009 , 71. 2000 , am vorläufigen Höhepunkt des FPÖ-Aufstieges , hatte der Burschenschaf-
ter und damalige RFS-Bundesgeschäftsführer Trammer bereits verkündet , der RFS halte „engen Kon-
takt zur Partei“ und bekenne sich dazu , „freiheitliches Vorfeld zu sein“ ( zit. n. trend Nr. 4/2000 , 62 ).
In puncto finanzielle Hilfestellungen berichtet die Obergermanen-Chronik , dass die FPÖ die Arbeit
des ( kriselnden ) RFS 1981 für „nicht mehr [ sic ] unterstützungswürdig“ gehalten und am Vorabend der
ÖH-Wahlen in jenem Jahr „alle Beziehungen zu ihm ( auch finanzielle ) abgebrochen“ habe ( Oberös-
terreicher Germanen 1994 , 100 ).
120 Vgl. dazu PBW , Berka 1964 , 14 ; dieser bezieht sich dabei allerdings weniger auf den Nationalsozialis-
mus als auf das drohende Ausstrahlen parteipolitischer Streitigkeiten auf die Korporationen.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619