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III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen
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des Burschenschaftswesens in Österreich , sondern auch Folge einer Rekrutierungs-
praxis , die sich an hegemonialen ( nicht zwangsläufig aber zugleich majoritären ) Mei-
nungen orientierte. Kontinuität wurde erzielt , indem die einzelnen Bünde ihre Dele-
gierten für Verbandstage mit inhaltlichen Mandaten auszustatten pflegten129 , welche
die bisherige Verbandspolitik fortschrieben , bzw. Delegierte auswählten , die entspre-
chende hegemoniale Positionen verkörperten. Auf den Verbandstagen wählten diese
Delegierten dann aus ihren Reihen verlässliche Repräsentanten des Status quo in Ver-
bandsfunktionen.130 Diese konnten sich somit auf demokratische Mehrheiten stützen ,
ohne notwendig Mehrheitsmeinungen zu vertreten. Ideologisch nonkonformistische
Rekrutierung konnte nur in Einzelfällen aufgrund von Personalmangel oder
– auf Ein-
zelbundebene
– durch das gemeinsame Auftreten einer relevanten Zahl neuer Mitglie-
der mit alternativen Ansichten zustande kommen , das in gewissem Maße gegen die
gängigen ideologischen Formierungsmechanismen ( vgl. Abschnitt III.3 ) immunisierte.
III.2.3 Burschenschaftliche Meinungsführer
Idealisten als politische aktive Burschenschafter und die politische Klasse als Funktio-
närskaste prägen zum einen die öffentliche Wahrnehmung von Burschenschaften als
dezidiert politische Vereinigungen. Zum anderen dominieren sie , wie die Durchsicht
burschenschaftlicher Quellen zeigt , auch ihren Binnendiskurs ( jedenfalls soweit dieser
in verschriftlichter Form fassbar ist ), und zwar vorwiegend im Sinne der Fortschrei-
bung des Althergebrachten ( vgl. dazu auch Kapitel III.4 ). Bei näherer Auseinander-
setzung mit burschenschaftlicher Publizistik wie auch mit unveröffentlichten Quellen
sticht nicht nur der Umstand ins Auge , dass bestimmte Burschenschafter immer wieder
aktiv in Erscheinung treten , während andere ausschließlich als Namen in Listen oder
als passiv Beteiligte aufscheinen. Vielmehr scheinen auch innerhalb des erstgenannten
Personenkreises bestimmte Individuen einen Sonderstatus einzunehmen : Sie halten die
Festreden auf den größten Kommersen , verfassen Aula-Leitartikel und Eckartschriften
mit Manifestcharakter , tragen das Ehrenband ihrer Verbindung und werden mit zen-
tralen Verbandsfunktionen und der Leitung der wichtigsten Gremien betraut. Von her-
kömmlichen idealistischen Korporierten , aber auch von einfachen Angehörigen der po-
litischen Klasse ( der sie meist , aber nicht immer angehören ) unterscheidet sie weniger
129 Delegierte sind auf Verbandstagen in ihrem Abstimmungsverhalten durch vorangegangene Beschlüsse
ihrer Bundesconvente gebunden , finden allerdings über die aktive Teilnahme an den Verhandlungen
sowie im Rahmen der Behandlung von Dringlichkeitsanträgen auch Handlungsspielräume vor.
130 Nicht unüblich war auch die Nominierung von Funktionären durch wiederbestellte oder abtretende
Amtsträger , welche damit ihren Einfluss zu verbreitern oder über ihre eigentliche Amtszeit hinaus zu
verlängern wussten ( vgl. etwa BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 5 und Nie-
derschrift des ord. ADC-Tages 1958 , 17 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619