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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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keit des FPÖ-Erfolgslaufes vom jeweiligen Kurs einer Aula ( d. h. die offenkundige Un-
notwendigkeit einer Reorientierung im Sinne parteipolitischer Fortune ) keine erschöp-
fende Begründung liefert ; immerhin hätte eine Modernisierung in Argumentation und
Auftreten das ab Mitte des Jahrzehnts angegriffene Verhältnis zu Haider entspannen
können , für dessen Stimmenmaximierungskurs ein solcherart generalüberholtes Par-
teivorfeld eine weniger schwere Hypothek dargestellt hätte. Dass die Eliten der Frei-
heitlichen Akademikerverbände als Aula-Herausgeber und die burschenschaftlichen Mei-
nungsführer sich dennoch einer solchen , von Einzelpersonen oktroyierten Anpassung
verweigerten , illustriert die in diesen Kreisen noch zu jener Zeit vorherrschende Prio-
ritätenreihung : Lieber als eine unzweideutige Abgrenzung gegenüber dem National-
sozialismus und den einen oder anderen politisch-ideologischen Traditionsbruch nahm
man Spannungen mit der freiheitlichen Parteispitze bis hin zum offenen Bruch in Kauf.
Als ein weiterer Erklärungsfaktor bietet sich jene Kritik der ‚Neuen‘ bzw. generell einer
‚intellektuellen Rechten‘ an , die häufig aus neonazistischer Perspektive , bisweilen je-
doch ( wie beim ‚Nationalrevolutionär‘ Schwab oder im folgenden Beispiel aus der Jun-
gen Freiheit ) auch von ( ehemaligen ) ‚Neurechten‘ selbst geübt wird. Demnach verlaufe
ein schmaler Grat zwischen meta- und apolitischer Haltung , zwischen Intellektuali-
sierung und politischer Kapitulation. Oft würden Burschenschafter weniger aufgrund
strategischer Überlegungen denn „aus Bequemlichkeit“ politisches Engagement ver-
weigern und lieber „ideologische Luftschlösser“ konstruieren , „um die eigene Faulheit
als verdienstvolle Boykotthaltung gegen ein verrottetes Parteisystem , einen die Volks-
interessen verratenden Staat oder eine dekadente Gesellschaft zu adeln“.340 Dass eine
solche Kritik im mit Parteipolitikern und anderweitig ( außerparlamentarisch ) enga-
gierten Politaktivisten durchsetzten Burschenschaftswesen Österreichs Anhänger fin-
det , weist eine gewisse Logik auf.
IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende
Auch jenseits von Aula und Identität lassen sich für die 1990er-Jahre metapolitische
( wenn auch nicht originär ‚neurechte‘ ) Absichten im burschenschaftlichen Spektrum
nachweisen. Der im März 1994 auf Übereinkunft fast aller österreichischen Bünde kon-
stituierte Burschenschaftliche Rat ( vgl. Kapitel III.4.3 ) verstand sich nach Darstellung von
Gerhard Wirl ( Arminia Czernowitz zu Linz , Silesia Wien ) als „Kampfmittel und intel-
lektuelles Sprachrohr auf Vertrauensbasis“ der Burschenschaften in Österreich. Er sollte
demnach sowohl „( o )ffensiv mit eigenen Ideen“ in die Öffentlichkeit gehen als auch
eine „( r )asche Reaktion auf Angriffe“ durch Medien und „politische( ) Institutionen“
340 Vgl. Junge Freiheit Nr. 22/2010 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619