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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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spracherecht einräume , ihm gänzlich eigenverantwortliches Handeln aber allenthalben
verwehre. Letztlich führe die erweiterte Mit- daher zu einem Mehr an Fremdbestim-
mung. Demokratisierung wurde in diesem Sinne als „Kollektivisierung [ sic ] des einzel-
nen“ interpretiert oder als „totale Demokratisierung“ bzw. „totale( ) Bestimmung aller
über alle“ mit einem Zustand der „völligen Unfreiheit“ in Zusammenhang gebracht.780
Noch 1989 kritisierte ein nachgedruckter Artikel Horst Albert Glasers in der Aula ( vgl.
Abschnitt III.6.3 ) das Modell der Gruppenuniversität , in dem nicht „allein die Zustän-
digen und wissenschaftlichen Kompetenten ( d. h. die Professoren und die Habilitier-
ten ) entscheiden , sondern in gleicher Weise allerlei namenloses Hilfspersonal“.781 Die
Maßnahmen der ÖVP-FPÖ-Regierung ab 2000 zur Wiederherstellung der professo-
ralen Autorität ( und zur Beschränkung des Hochschulstudiums ) ernteten dementspre-
chend Lob im verbindungsstudentischen Spektrum – etwa durch den Studienabbre-
cher Andreas Mölzer , der den schwarz-blauen Kurs als „Abkehr von der Nivellierung
der Massenuniversität“ wertete.782
III.8.3 Demokratie im Verband und interbündischen Verkehr
„Die Arbeit der Burschenschaft vollzieht sich nach demokratischen Grundsätzen“, lau-
tet der zwölfte Absatz der Grundsätze der DB.783 Die realen Aushandlungs- und Ent-
scheidungsprozesse zwischen Burschenschaften bzw. im Rahmen ihrer Verbände er-
füllen diesen Anspruch allerdings nur mit Abstrichen ( und reflektieren dabei , wie im
Folgeabschnitt III.8.4 aufgezeigt werden soll , zu einem guten Teil die Demokratie-
defizite der Einzelbundebene auf höherem Niveau ).784 Auf einer grundsätzlichen Ebene
lässt sich etwa auf das Prinzip verweisen , nach dem auf Verbandstagen des ADC bzw.
der DBÖ nur bevollmächtigte Delegierte ermächtigt waren , sich überhaupt zu Wort
780 Der Ring , Nr. 1 / 1975 , 5 bzw. Nr. 5 / 1970 , 4. Vgl. zur Kritik der Hochschuldemokratisierung weiters Der
Ring Nr. 4 / 1970 , 7 ; Nr. 5 / 1970 , 14 ; Nr. 1 / 1971 , 3 und 14 f. ; Nr. 7 / 1973 , 14 ; sowie Nr. 2 / 1975 , 6. Vgl. dazu
ferner das elitaristische Demokratieverständnis Otto Scrinzis , der erklärte , er halte „nichts“ von einem
Prinzip der „universalen und dauernden ‚Mitbestimmung‘ in der hochentwickelten , arbeitsteiligen und
global vernetzten Welt“. Diese müsste nämlich „in der Diktatur der , weil sich für alles zuständig Füh-
lenden , nirgends wirklich Befugten enden ! Mitbestimmung muß mit vollziehbarer Mitverantwortung
gekoppelt sein , diese wieder setzt Mit-Wissen voraus.“ ( Scrinzi 1991 , 42 )
781 Aula Nr. 6 / 1989 , 22.
782 Zur Zeit Nr. 5/2002 , 9.
783 BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1971 , 11.
784 Eine solche Behauptung lässt sich freilich für jedwede soziale Organisation – für hierarchisch geglie-
derte politische Parteien als der Idee nach tragende Säulen repräsentativer Demokratie ebenso wie für
basisdemokratisch verfasste Gruppierungen – mit einiger Berechtigung formulieren. Ob die Häufung
entsprechender Auffälligkeiten im Fall der Burschenschaften in besonders schiefem Verhältnis zu den
selbst formulierten Ansprüchen steht , ließe sich vor diesem Hintergrund durchaus diskutieren.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619