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V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden
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Landtagsklub der 2010 begonnenen Amtsperiode immerhin auch sechs Korporierte
ohne akademischen Abschluss an. Bemerkenswert daran ist , dass alle sechs akademi-
schen Burschenschaften entstammten , die der Idee nach eigentlich nur Akademiker
und zielstrebig auf einen akademischen Abschluss zuarbeitende Studenten als Mit-
glieder führen. Die Vermutung liegt nahe , dass das FPÖ-Engagement in diesen Fäl-
len für die Gewährung einer Ausnahmeregelung qualifizierte. Besonders großzügig
wurde das Akademikerprinzip von den Aldanen gehandhabt , die vier der sechs Be-
troffenen zu ihren Mitgliedern zählt.
V.1.3 Zusammenschau
Stellt man die für die verschiedenen Funktionsebenen erhobenen Gesamtbefunde über
den Untersuchungszeitraum einander gegenüber , treten sowohl querschnitthaft gül-
tige Tendenzen als auch notierenswerte Differenzen zutage. Als geteiltes Merkmal
sämtlicher untersuchten Bereiche kann die klare innerparteiliche Männerdominanz
gelten. Mit Ausnahme der Regierungsebene ( 76 % ) bewegt sie sich überall jenseits der
Vier-Fünftel-Grenze , mit einer Spitze von 98,7 Prozent im Fall der Landes obleute.
Die AkademikerInnenanteile streuen relativ stark : von exakt einem Drittel im Wiener
Landtag über rund die Hälfte ( 44,1 bzw. 52,6 % ) im Nationalrat und unter den Lan-
desparteichefs bis an die Drei-Viertel-Marke im Fall der freiheitlichen Regierungsrie-
gen ( 72 % ). Die Korporiertenanteile bewegen sich durchgehend rund um ein Drittel
( Regierung : 32 % , Wiener Landtag : 33,3 % , Landesparteiobleute : 34,6 % , National-
rat : je nach Eingrenzung zwischen 27,9 und 38,2 % ). Bemerkenswert ist dies zum ei-
nen aufgrund der schieren Höhe dieser Anteile bzw. des eklatanten Missverhältnisses
zum Anteil völkischer Korporationsmitglieder an der österreichischen Gesamtbevölke-
rung.61 Zum anderen ist auf die auffällige Gleichmäßigkeit hinzuweisen , in der Kor-
porierte über alle untersuchten Ebenen hinweg ( wenn auch mit gewissen Schwan-
kungen über die Zeit ) in den Rängen der FPÖ vertreten waren – ohne dass dem ein
Schlüssel zur angemessenen Berücksichtigung verschiedener Parteiteil- oder Vorfel-
dorganisationen zugrunde gelegen wäre. Anders als im Fall der bündisch strukturier-
ten Rekrutierungspraxis der ÖVP ist im Fall der FPÖ über einen solchen ( informel-
len ) Schlüssel jedenfalls nichts bekannt.
61 Der aggregierte Mitgliederhöchststand der völkischen Verbindungen in Österreich ( alle Typen ) nach 1945
dürfte in den 1960er-Jahren mit großzügig geschätzten 7.000 erreicht worden sein. Aufgerechnet auf die
Ergebnisse der Volkszählungen von 1961 und 1971 entspräche selbst diese angenommene Höchstmarke
einem Anteil von nicht einmal 0,1 Prozent. Hierzu ist freilich anzumerken , dass die Zusammensetzung
von Nationalratsfraktionen ( sämtlicher Parteien ) in vielerlei Hinsicht die Zusammensetzung der Ge-
samtbevölkerung nur höchst verzerrt abbildet , etwa in puncto des JuristInnenanteils , des Geschlechter-
verhältnisses oder der Altersstruktur.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619