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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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zu tragen und auf breiteste Basis zu stellen“, argumentierte Olympia auch im Rahmen
der DB.31 Doch selbst dort , wo bereits seit langer Zeit Bünde bestanden , blieb deren
Wahrnehmbarkeit beschränkt : In Innsbruck „existieren die Korporationen heute so gut
wie unter Ausschluß der Öffentlichkeit“, notierte Scheichl 1975.32
III.1.1 Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis
Die Diagnose einer Kluft zwischen selbst proklamiertem politischem Anspruch und
realer politischer Praxis zählt zu den wiederkehrenden Motiven burschenschaftlicher
Selbstreflexion nach 1945. Beständig wird dabei beklagt , dass die Burschenschaften der
jeweiligen Gegenwart hinter ihr historisches Erbe zurückfielen oder gar zu reinen Ge-
selligkeitsvereinen verkämen. Eine Variation dieser Kritik besteht in der Feststellung ei-
nes Missverhältnisses zwischen rein deklaratorischen Akten ( etwa in Form der von bur-
schenschaftlichen Verbänden habituell verabschiedeten Eingaben „an irgendein oberstes
Bundesorgan“33 ) und handfestem , persönlichen Einsatz erforderndem Engagement. Als
bezeichnend kann der ADC-Beschluss von 1957 gelten , die Meraner Hochschulwochen
als Zeichen der Sorge um Südtirol mit einer Abordnung von 15 bis 20 Burschenschaf-
tern aus Österreich zu beschicken ; tatsächlich machten deren drei sich auf den Weg.34
Vor diesem Hintergrund erging am ADC-Tag 1958 der Appell Alanias , wonach man
„nicht nur Beschlüsse fassen , sondern auch Taten setzen“ müsse.35 Dennoch sah sich
auch 1961 der hochschulpolitische Referent der DBÖ , Hansjörg Weinberger ( Marcho
Teutonia Graz ), in seinem Tätigkeitsbericht zu der Feststellung veranlasst ,
dass eine politische Betätigung oder ein sichtbares Interesse an politischen Begebenheiten
der Hochschulpolitik bei vielen Burschenschaftern fehlt. Dies zu ändern wäre eine wirklich
vordringliche Arbeit der einzelnen Bünde. Die Abhaltung von Kneipen und die Austragung
von Mensuren sind notwendig , jedoch vornehmlich die Charakteristika eines Corps , niemals
aber einer Burschenschaft !36
Trost konnten die Verfechter einer politischen Aktivierung der Verbindungen allen-
falls in dem Umstand finden , dass politische Passivität unter bundesdeutschen Bur-
schenschaften noch weiter verbreitet schien. Die zentrale innerburschenschaftliche
31 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 38.
32 PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Innsbruck vom 21. 8. 1975 , 2.
33 Schröder 2005 , 3.
34 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], ADC-Rundschreiben Nr. 3 ( Albia ) vom Oktober 1957 , 2.
35 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1958 , 10.
36 BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/4 zur Niederschrift des DBÖ-Tages 1961 , 2. Vgl. auch das noch apodik-
tischere Urteil des Volkstumsreferenten Heinz Hauffe ( Brixia Innsbruck ) in Anlage 2/6 , 3.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619