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III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
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verarbeitet werden. Dass man , obwohl dazu berufen , nicht führte , wurde dem charak-
terlosen Wirken opportunistischer Kleingeister angelastet. Umso schwerer wog es , wenn
die burschenschaftliche Wirklichkeit Zweifel auch an diesem Hilfsnarrativ aufgab und
die real existierenden Burschen dem ihnen vorgegebenen Idealbild nicht genügten. In
der Chronik der Oberösterreicher Germanen von 1967 registrierte Ernst Truckenthan-
ner , dass die „Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit“ mancher Burschenschafter ge-
genüber Mitstudierenden sich „auf nichts anderes als Ehrenordnung und Mensur grün-
det , denn Spitzenleistungen in Studium oder hochschulpolitischer Arbeit sind unter
solchen Burschenschaftern kaum zu finden“.584 Weit schärfer ( und pauschaler ) ging im
Jahr darauf der Innsbrucker Germane Werner Riesenhuber mit dem burschenschaft-
lichen Nachwuchs ins Gericht :
Hat es jemals eine Elite in unseren Reihen gegeben , ( … ) gemessen an der gesamten akade-
mischen Jugend , so muß man sich heute schon sehr bemühen , nur Spuren davon zu finden.
( … ) Was wir brauchen , sind Burschen von Format , nicht Neurotiker , keine geistigen und
körperlichen Versager , die hoffen , bei uns aufgemöbelt zu werden und Image zu gewinnen.
( … ) Warum steht vor allem die geistige Potenz nicht mehr bei uns ?585
Aussagen wie diese zeigen an , dass die österreichischen Bünde sich die ihrem Selbst-
bild gemäße Selektivität aufgrund von Rekrutierungsproblemen immer weniger erlau-
ben konnten.586 Die Vorstellung , bei Burschenschaftern handle es sich „generell um eine
‚intellektuelle rechte Avantgarde‘ “, sei „bei weitem überzogen“, konstatierte dementspre-
chend auch Jürgen Schwab 1996 ( damals noch Burschenschafter ) und ortete eine „große
Diskrepanz“ zwischen dem Anspruch auf „Bildung einer nationalen Gegenelite“ – so
dieser überhaupt noch gestellt werde – und der burschenschaftlichen Realität.587
III.6.4 Zusammenführung
Gegen alle Herausforderungen der gesellschaftlichen Entwicklung nach 1945 – den
Ausschluss von der Funktionselite , die Ausweitung des Hochschulzugangs und des
Frauenstudiums , die Stärkung der universitären Linken ( und damit der Kritik an den
Korporationen ) und , wie sich ergänzen ließe , das Aufkommen des Phänomens der
AkademikerInnenarbeitslosigkeit – hielten die Burschenschaften in Österreich an ih-
584 Oberösterreicher Germanen 1967 , 162.
585 Germanenmitteilungen , 15. 12. 1968 , 5.
586 Nichtsdestotrotz gab etwa Aldania selbst zu einem Zeitpunkt Bewerber „als für uns unbrauchbar ab( )“,
als der Bundbetrieb sistiert war und die Ablehnung von Füchsen die ersehnte Wiedereröffnung des-
selben hintertrieb ( Aldania 1994 , 205 ).
587 Staatsbriefe Nr. 9–10 / 1996,19 bzw. 20.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619