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IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn
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ren des burschenschaftlichen Kollektivs Effekte erzielen : Durch Ernteeinsätze , Grenz-
landfahrten , Patenschaftsbeziehungen und andere Formen der Kontaktpflege mit den
‚deutschen Brüdern und Schwestern‘ in Grenzregionen soll v. a. bei den jungen Bur-
schenschaftern nationale Gesinnung – über die geistige Auseinandersetzung im Rah-
men der bund- und verbandsinternen Bildungsarbeit hinaus – sozusagen am leben-
den Objekt gefestigt und durch persönliche Erfahrungen emotional fundiert werden.
IV.1.3 Hochschulpolitik
Hochschulpolitische Fragen waren für Burschenschaften seit jeher von besonderer Be-
deutung , da die hohen Schulen als ureigenstes Territorium studentischer Vereinigun-
gen das naheliegendste Aktionsfeld boten , um den eigenen politischen Anspruch in die
Tat umzusetzen.36 Nach 1945 räumten die Burschenschaften in Österreich der Hoch-
schulpolitik von Bund zu Bund und über die Zeit unterschiedliche Wichtigkeit ein.
Förderlich wirkte sich auf ihren Stellenwert der Umstand aus , dass man über den Ring
Freiheitlicher Studenten ( RFS )37 mehr oder weniger unmittelbar in eine Körperschaft
öffentlichen Rechts ( die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft/ÖH , bis
2005 : Österreichische Hochschülerschaft ) integriert war
– und dies in , im Vergleich zur ge-
samtgesellschaftlichen Relevanz des ‚Dritten Lagers‘ , lange Zeit weit überdurchschnitt-
licher Stärke , wie eine Gegenüberstellung der Wahlergebnisse von RFS und FPÖ ( bis
zur Abschaffung der Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung im Jahr 2004 ) näherungs-
weise anzeigt ( vgl. Grafik 1 ). Der schon an anderer Stelle erwähnte Abstieg des RFS
in die Bedeutungslosigkeit begann in den 1970ern als Begleiterscheinung der sozialen
Öffnung der Universitäten bzw. der mit dieser einhergehenden Diversifizierung der
Studierendenschaft sowie der politischen Klimaveränderungen des Jahrzehnts an den
36 Vgl. etwa BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 6 ; AVSt , Burschenschaftliche Ge-
meinschaft 1976 , 17. Was dabei unter ( hochschul-)politischer Tätigkeit zu fassen sei , war dem histori-
schen Wandel unterworfen. So berichtete Rudolf Geißler , Alter Herr der Wiener Silesia , 1989/90 ( und
ohne jede kritische Distanzierung ) wie folgt aus seiner Aktivzeit ( 1908–1911 ): „Die politische Tätigkeit
beschränkte sich auf die damals selbstverständliche Mitarbeit für die [ sic ] nationalen Schutzvereine und
auf den Kampf gegen die damals beginnende Überfremdung unserer Hochschulen. Diese Kämpfe , be-
sonders auf der Rampe der Universität , mit den damals getragenen Spazierstöcken besten Kalibers ausge-
tragen , gehörten zu den Höhepunkten ‚äußerer‘ Tätigkeiten.“ ( Semesternachrichten der Wiener aB ! Silesia ,
Wintersemester 1989/90 , 9 ) Allerdings wurde auch noch 1976 in der Aula der „gute alte Holzkommang“
( auch : ‚Holzcomment‘ , ein couleurstudentischer Begriff zur Umschreibung von mit den angesprochenen
Stöcken oder bloßen Fäusten ausgetragenen Schlägereien ) als Mittel der Wahl zur Austragung politi-
scher Differenzen „mit den linken Knechten“ auf Hochschulgelände beschworen ( Aula Nr. 9 / 1976 , 25 ).
37 Auf den Sonderfall Leobens , wo die Weigerung der Corps , sich unter das Dach des RFS und damit in
den Nahbereich einer politischen Partei zu begeben ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/7 zum Pro-
tokoll des DBÖ-Tages 1960 , 11 f. ), eine Liste Leobner Studenten ( LLSt ) als ÖH-Fraktion der völkischen
Verbindungen hervorbrachte , wird in weiterer Folge nicht gesondert hingewiesen.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619