Seite - 67 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 67 -
Text der Seite - 67 -
II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde
67
Als verbandsübergreifender , d. h. nicht auf den Korporationstyp der Burschen-
schaften beschränkter lokaler Zusammenschluss völkischer Verbindungen entstand
am 18. Jänner 1952 der Wiener Korporations-Ring ( WKR ). Als seine Aufgaben definier-
ten die ursprünglich 16 beteiligten Korporationen u. a. die Abstimmung „in allen rein
hochschulpolitischen Fragen“ sowie die Sicherstellung eines einheitlichen Auftretens
auf Hochschulboden und bei anderweitigen universitären Ereignissen.121 Zum hoch-
schulpolitisch relevanten Akteur sollte der WKR , der im ersten Halbjahr seines Beste-
hens auf 23 Mitgliedsbünde anwuchs122 , sich jedoch niemals entwickeln. Vielmehr war
es dem von Beginn an maßgeblich von Korporierten getragenen Ring Freiheitlicher Stu-
denten ( RFS ) vorbehalten , das völkische Lager im Rahmen der Österreichischen Hoch-
schülerschaft ( ÖH ) zu repräsentieren. Den Startschuss dazu bildeten die ÖH-Wahlen
von 1953 , bei denen er sogleich rund ein Drittel der abgegebenen Stimmen bundesweit
sowie absolute Mehrheiten an der Grazer Technik und an der Wiener Veterinärmedizin
auf sich vereinigen konnte. Vor Gründung des RFS hatte der Bund unabhängiger Stu-
denten ( BUS ), auf Bundesebene noch kaum vernetzt , eine ähnliche Klientel bedient.123
In jenem Jahr , in dem der RFS sein erfolgreiches Wahldebüt feiert , hat der AVÖ seine
Schuldigkeit für die Korporationen bereits getan : Nachdem die Zweigstellen als deren
temporäre vereinsrechtliche Container nach und nach überflüssig geworden sind , wird
1953 auch der Zentralverband selbst stillgelegt. An seine Stelle treten die föderal struk-
turierten Freiheitlichen Akademikerverbände ( FAV ), die auf Bundesebene nur in einer
losen Arbeitsgemeinschaft ( ARGE FAV ) verbunden sind.124
II.3.1 Restauration vs. Neubeginn
Bereits wenige Jahre nach Wiedererrichtung der ersten Korporationen war augenfällig ,
dass diese in Form und Inhalt kaum von ihren Vorkriegstraditionen abgewichen waren.
Es schien , als hätten der opferreichste Krieg der Menschheitsgeschichte und der ‚Zivi-
lisationsbruch Auschwitz‘ ( Dan Diner ) im völkischen Verbindungswesen Österreichs
kaum Spuren hinterlassen – ein Umstand , der fraglos der Interpretation bedarf. Da-
bei scheint es mir Sinn zu machen , die Restauration im Sinne eines ‚Weiter-wie-bis-
121 Vgl. Marauschek 1960 , 90.
122 Vgl. Aldania 1994 , 161.
123 Vgl. zu Letzterem Forster 1984 , 182 und 200 und Hirnschall 1991 , 24. Der Innsbrucker BUS übernahm
nach Angaben Schödls darüber hinaus als „Sammelbecken aller freiheitlich gesinnten Studenten“ und
„Übergangslösung“ bis zur Wiedererrichtung der Korporationen eine ähnliche Funktion wie der AVÖ ;
er habe in Innsbruck die spätere Reaktivierung der Bünde „überhaupt erst möglich“ gemacht ( Suevia
1958 , 109 ; vgl. auch 107 ). Angesichts der Verspätung des AVÖ in Tirol ( vgl. Aula Nr. 3 / 1952 [ Dezem-
ber ], 20 ) ist diese Darstellung durchaus plausibel.
124 Vgl. Aldania 1994 , 159 und 161.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619