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III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt
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vor in verschiedenen Staaten leben muß“ – nicht ohne auf eine Tendenz zur „Gerech-
tigkeit in der Geschichte“ hinzuweisen , aufgrund derer Völker mitunter „noch nach
vielen Jahrhunderten ihre Heimat wieder in Besitz nehmen“.679 Das Urteil des lang-
jährigen FPÖ-Obmannes Friedrich Peter , wonach die völkischen Verbindungen nach
1945 in einem zwar „langen“, doch „stetig fortschreitenden Entwicklungsprozess“ zu der
Einsicht gelangt wären , „daß der Zusammenschluß aller Deutschen im Dritten Reich
durch Adolf Hitler von diesem selbst ein für allemal zerstört ( … ) wurde“680 , ist in Er-
wägung solcher Aussagen zumindest zu relativieren.
III.7.3 Kritik der völkischen Ideologie
Der überragende Stellenwert des ( biologistisch bestimmten ) Volkes im burschen-
schaftlichen Denken zieht sich wie ein roter Faden durch das Quellenmaterial. Die
Frage aber , weshalb es nach Einschätzung des burschenschaftlichen Mainstreams in
Österreich kein höheres Ziel gab und geben konnte , als „7 Millionen Menschen dem
deutschen Volkstume zu erhalten“681 , wird in den Quellen zumeist gar nicht erör-
tert. Die Antwort wird als selbstverständlich vorausgesetzt , beschränkt sich auf wenig
erschöpfende Setzungen wie ein vermeintliches „Gesetz des Blutes“682 oder verläuft
zirkelhaft : Österreich deutsch zu erhalten sei wichtig , weil es andernfalls aufhöre ,
deutsch zu sein. Grundlage solcher Äußerungen ist eine Weltsicht , die ‚Völker‘ zum
einen als Akteure und entscheidende Triebkräfte gesellschaftlicher Entwicklung im
Weltmaßstab wahrnimmt ; im beständigen Ringen der Völker miteinander , so die
Vorstellung , wird Menschheitsgeschichte gemacht. Zum anderen fungiert das Volk
in der völkischen Ideologie auch als bestimmender Faktor menschlicher Identitäts-
bildung und als Bedingung individuellen wie kollektiven Glücks : „( O )hne Zuge-
hörigkeit zu einer Volksgemeinschaft“, so Schlüsselberger , sei „ein ausgeglichenes ,
glückliches und zufriedenes Leben ( … ) auf Dauer nicht denkbar , geschweige denn
lebenswert“.683 Die Loslösung mehrerer Millionen Menschen aus einem Volksver-
bund , wie sie aus völkischer Sicht in Österreich , in Südtirol / Alto Adige und an an-
deren Orten drohte , erscheint vor diesem Hintergrund als empfindliche Schwächung
679 Burschenschaftliche Blätter Nr. 3/2009 , 104. Cerwinka attestierte dem Olympen in der Folgeausgabe der
Burschenschaftlichen Blätter eine „Geringschätzung von ‚Staat‘ “ bei gleichzeitiger „Überhöhung von ‚Volk‘ “
und wies darauf hin , dass es ihm „im Gegensatz zu Verbandsbruder Schlüsselberger“ durchaus erträg-
lich sei , das deutsche Volk in verschiedenen Staaten leben zu sehen ( BBl. Nr. 4/2009 , 190 ).
680 Peter 1998 , 140 f. Als für diese Entwicklung mitverantwortlich stuft Peter bezeichnenderweise die An-
bindung vieler Individuen des ‚Dritten Lagers‘ an die Großparteien ( anstatt an seine eigene Partei ) ein
( vgl. ebd., 141 ).
681 PBW , Berka 1964 , 18.
682 Robert Zimmermann ( Silesia ) in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 11 / 1957 , 269.
683 Burschenschaftliche Blätter Nr. 3/2009 , 103.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619