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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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weder der erhoffte staatliche Zusammenschluss noch die erwartete ‚nationale‘ Mehr-
heit im Reichstag zustande kam.727 Bereits 1919 seien am Verbandstag des ( sich noch
im selben Jahr mit der DB vereinigenden ) Dachverbandes Burschenschaft der Ostmark
( BdO ) „gegen das bestehende parlamentarisch-demokratische System gerichtete Ma-
ximen postuliert“ worden.728 Für die 1920er-Jahre attestiert Stimmer der „österreichi-
sche( n ) Burschenschaft“
– etwas zu pauschal
– ein „radikal gegen die parlamentarische
Demokratie“ gerichtetes Selbstverständnis.729 In einem „fortlaufenden Anpassungspro-
zeß der gemäßigteren Korporationen an die jeweilig extremeren Positionen“ sei „eine
politisch-ideologisch homogene Gegenelite der verschiedensten nationalen Korpora-
tionsgruppen“ entstanden , zu deren gemeinsamen Leitideen die „grundsätzliche Ab-
lehnung des Liberalismus“ und eine „grundsätzliche Distanz zum parlamentarischen
Parteiensystem“ gezählt hätten.730 Der Hinwendung zu den Heimwehr-Verbänden in
der zweiten Hälfte des Jahrzehnts folgte um 1930 jene zum Nationalsozialismus.731
Die der tatsächlichen organisatorischen Gleichschaltung 1938 teilweise vorauseilende
Übernahme des Führerprinzips durch die völkischen Verbindungen wird in den Bund-
chroniken unterschiedlich dargestellt : Während dieser Schritt Aldania zufolge „( p )rak-
tisch“ keine Auswirkungen gehabt habe , berichtet die Teutonen-Chronik von großen
daran geknüpften Hoffnungen. „Der demokratische Gedanke der Urburschenschaft
hatte sich überlebt.“732
III.8.2 Demokratie als Form und Demokratie als Inhalt
Die burschenschaftliche Bejahung von Demokratie nach 1945 kommt rhetorisch in Be-
kenntnissen zur liberalen Parteiendemokratie und in der politischen Praxis in der Be-
achtung der gesetzlichen Regelungen ( nicht zwangsläufig auch der informelleren Stan-
dards westlich-liberaler politischer Kultur ) zum Ausdruck , die das Funktionieren des
demokratischen Systems gewährleisten sollen. Die einschlägigen Erklärungen sind zahl-
reich : Die DBÖ bekannte sich etwa ausdrücklich zum „sich auf Freiheit und Selbstbe-
stimmung gründenden demokratischen Rechtsstaat“ als „bestmögliche Staatsform“733 ,
Stiria zur „wehrhaften Demokratie“ bei entschiedener Ablehnung von „( p )olitische( m )
727 Stimmer erklärt das tatsächliche Absinken des ‚nationalen‘ Lagers „zu einem politischen Faktor dritter
Größe“ mit dem Verlust von dessen „Hauptrekrutierungsgebiete( n )“ durch den Vertrag von St. Ger-
main ( ebd., 505 ).
728 Ebd., 502.
729 Ebd., 503. Vgl. auch ebd., 502.
730 Ebd., 496.
731 Vgl. ebd., 504–509 sowie Band II , 731 f.
732 Aldania 1994 , 134 bzw. Teutonia 1968 , 92.
733 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Grundsätze der DBÖ , Anlage B zum DBÖ-Rundschreiben Nr. 1 ( Markoman-
nia ) von 1965/66 ( undatiert ), 2.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619