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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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Wenngleich Pendls Bestandsaufnahme aus der Sicht des idealistischen Korporierten ( vgl.
Kapitel III.2.1 ) nachvollziehbar ist , sollte sie nicht verdecken , dass auch in den Jahrzehn-
ten nach 1945 immer wieder politische Impulse aus dem Burschenschaftswesen heraus
gesetzt wurden. Drei in Summe charakteristische Ausschnitte dieser Praxis nehme ich
im Folgenden näher in den Blick : appellative Politik ( als Form des Politik-Machens mit
variabler Themensetzung ) sowie ‚Grenzlandarbeit‘ und Hochschulpolitik ( als zentrale Be-
tätigungsfelder ). In Summe decken diese drei Ausschnitte die Bandbreite der Themen und
Aktionsformen burschenschaftlicher Politik in Österreich nach 1945 weitestgehend ab.
IV.1.1 Politik des Appells
Juristisch handelt es sich bei Burschenschaften um Vereine , deren direkte Mitwirkung
an der Gestaltung staatlichen Handelns auf kollektiver ( korporativer ) Ebene im Sys-
tem repräsentativ-demokratischer Entscheidungsfindung nicht vorgesehen ist. Inso-
weit sie auf dieses Handeln Einfluss nehmen wollten , mussten sie daher auf Lobbying
und appellative Handlungen wie Petitionen , Resolutionen und Vorsprachen in Mi-
nisterien zurückgreifen. Dies umso mehr , solange eine Einflussnahme über die FPÖ
oder Burschenschafter innerhalb derselben mangels Stärke der Partei kaum effektiv
möglich war. Dementsprechend bildete die Beratung über einschlägige Initiativen
jedenfalls in den 1950er- und 1960er-Jahren einen festen Bestandteil auf ADC- bzw.
DBÖ-
Tagen wie in weiterer Folge auch auf Burschentagen der DB , in die ab 1971 die
meisten Burschenschaften Österreichs überwechselten. Die klassische Form ( und zen-
trales Instrument politischer Aktion auf Verbandsebene ) stellte dabei jene der Resolu-
tion mit Handlungsaufforderung an die Bundesregierung oder einzelne Minister dar ,
öfters verbunden mit einer entsprechenden Presseinformation. Der überwiegende Teil
dieser Entschließungen ( wie der politischen Anträge überhaupt ) betraf ‚volkstumspo-
litische‘ Anliegen – und hier vor allem die Südtirolfrage. Als weitere wiederkehrende
Themen sind das Verhältnis der Volksgruppen in Kärnten/Koroška , die Frage des deut-
schen Charakters Österreichs und Hochschulpolitik zu nennen. Deutlich seltener
– so-
weit die vorliegenden Quellen diesen Schluss zulassen
– wurde das Mittel der direkten
Vorsprachen bei Entscheidungsträgern gewählt : Hier fehlte offenbar aufgrund des jahr-
zehntelangen Monopols von SPÖ und ÖVP auf Regierungs- und hohe Verwaltungs-
ämter der direkte Draht , wie er etwa zu Abgeordneten der FPÖ ( und erst ab 1983 bzw.
ab 2000 auch zu deren MinisterInnen ) bestand. 1970/71 wurde allerdings ein Versuch
unternommen , auf verfassungsrechtlich vorgesehenem Weg eine Gesetzesänderung zu
erwirken : Die vom WKR initiierte ‚Aktion Landesverteidigung‘ wollte Unterschriften
der Strecke“ bleiben ; zudem schreckten die Belastungen potenzielle Interessenten ab , was wiederum den
Personalmangel prolongiere ( ebd., 152 f. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619