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III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen
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orientierte können sich stark über das Burschenschafter-Sein definieren , ohne aller-
dings politische Ambitionen daraus abzuleiten. Plausibel erscheint angesichts des
hochpolitischen Selbstverständnisses der Burschenschaften freilich , dass hohe Iden-
tifikation in aller Regel mit einer Bejahung ihres politischen Mandats einhergeht.
Dieses Mandat wiederum kann unterschiedlich interpretiert werden : Wenn auch alle
Idealisten der burschenschaftlichen Idee anhängen , können sie sich in der Auslegung
derselben erheblich unterscheiden ( sich aber in der Klage über die Passivität der gesel-
ligkeitsorientierten Bundes- und Verbandsbrüder einig sein ). Für die überindividuelle
Ebene ist davon auszugehen , dass sich
– schon aufgrund der relativen Willkürlichkeit
der Rekrutierung123 und des Nicht-Monopols der Korporation auf die politische Prä-
gung ihrer Mitglieder – in jedem Bund unterschiedliche Burschenschaftertypen fin-
den. Dabei wird der Anteil von Idealisten in manchen Verbindungen höher und wer-
den die Auslegungen der burschenschaftlichen Idee in manchen Bünden homogener
sein als in anderen.
III.2.2 Die politische Klasse unter Burschenschaftern
Die politische Praxis der Verbindungen wird naheliegenderweise maßgeblich von jenen
getragen und gestaltet , denen sie ein prioritäres Anliegen ist
– und damit offenbar von
einer überschaubaren Minderheit. Nachvollziehbar wird dies etwa anhand der Ämter-
besetzungen im Rahmen des ADC bzw. der DBÖ.124 Anders als im Rahmen der DB
kam es hier kaum je zu Kampfabstimmungen : Üblicherweise standen genau so viele
Kandidaten zur Verfügung , wie Positionen zu besetzen waren , und nicht selten musste
noch am Burschentag selbst nach zur Kandidatur bereiten Verbandsbrüdern gesucht
werden. Mit Blick auf den Kreis jener , die sich für Funktionärsposten zur Verfügung
Beginn ihrer Arbeit von der Überordnung des Gemeinschaftsaspekts über politische Überzeugungen als
Beitrittsmotiv ausgeht , gelangt dagegen zu der Auffassung , dass zumindest rechts außen positionierte
Bünde nicht zuletzt politisch bereits einschlägig motivierte Männer anzögen – und die bund interne
Erziehung in diesen Bünden auf die politisch-ideologische Angleichung der ‚unpolitischen‘ Neumit-
glieder abstelle ( Kuhn 2002 , 91 ).
123 Für den ‚einsprungswilligen‘ Studenten spielen neben der politischen Ausrichtung eines Bundes häu-
fig Faktoren wie die Größe der Aktivitas oder die Ausstattung und Lage des Hauses eine Rolle bei der
Verbindungswahl , sofern diese nicht ohnehin durch Familientradition oder sonstige persönliche Bin-
dungen vorgegeben ist. Aus Sicht der Verbindungen wiederum erwies jene Selektivität in der Mitglie-
derwerbung , die ein elitäres Selbstverständnis nahelegte , sich vor dem Hintergrund der nach 1945 vi-
rulenten Nachwuchsprobleme vielfach als unleistbarer Luxus ( vgl. dazu etwa die Germanenmitteilungen
vom 15. 12. 1968 , 5 ).
124 Als weiteres Beispiel ließe sich die Hochschulpolitik anführen : Laut einer DBÖ-internen Umfrage wa-
ren 1963/64 österreichweit gerade 35 von 654 studierenden Burschenschaftern , also im Schnitt rund neun
pro Hochschulstadt , hochschulpolitisch aktiv ( vgl. die entsprechende Beilage zu den Germanenmittei-
lungen , Mai 1965 , Blatt I ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619