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III.5 Wandel und Beharrung
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ten Bereinigung von Ehrenhändeln“ einzusetzen.432 Auch Sigurd Scheichl hatte 1964
als Aktiver einen solchen Zusammenhang hergestellt , indem er darauf hingewie-
sen hatte , dass Duelle „praktisch kaum mehr vorkomm( en )“ und stattdessen in Inns-
bruck und Wien Entschuldigungen oder
– höchstenfalls
– Contrahagen vorherrschend
seien.433 Contrahagen aus politischen Gründen erinnert Scheichl nicht , allerdings sei
diese Form der Mensur an seinem Studienort ( Innsbruck ) generell viel seltener ge-
wesen als in Wien , wo Burschenschafter einander „sehr häufig“ contrahiert hätten.434
Angesichts der jedenfalls zu konstatierenden Verwandtschaft von Duell und Verab-
redungsmensur verwundert es nicht , dass parallel zu den Debatten um die unbedingte
Satisfaktion immer wieder auch die Bräuche der Hatz und der Contrahage themati-
siert wurden.435 Dass es sich zumindest aus burschenschaftlicher Sicht tatsächlich um
voneinander abgetrennte Bereiche handelte , deutet der Umstand an , dass hierbei die
Bereitschaft zu Änderungen tiefer in den burschenschaftlichen Mainstream hinein-
reichte. Offenkundig sah man vom Hatz- und Contrahagewesen die elementare Frage
der ‚Ehre‘ nicht berührt und erblickte darin eher eine Ausprägung verbindungsstuden-
tischen Brauchtums , die – nach Ansicht mancher – zugunsten verstärkter politischer
Betätigung zurückzuschrauben war.436
III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash
Die Entwicklung des Burschenschaftswesens stand zu jeder Zeit mit dem Wandel der
Gesellschaft in Wechselwirkung , in die sie eingebettet war. Diese Beeinflussung konnte
im Sinne eines Mit- oder Nachvollzuges gesellschaftlicher Veränderungen ebenso er-
folgen wie in Form demonstrativer Beharrung. Beides war in den 1970er-Jahren der
Fall. Die Zeit der Großen Koalitionen ( und damit auch des schwarz-roten Kliente-
lismus in seiner reinsten Ausprägung ) war vorläufig vorüber. Die österreichische Ge-
sellschaft durchlief einen – nicht unwesentlich von den sozialdemokratischen Allein-
regierungen und somit ‚von oben‘ verordneten – Modernisierungsschub. Insbesondere
an den Hochschulen galt es seit Ende der 1960er-Jahre zunehmend als modisch , sich
432 Oberösterreicher Germanen 1967 , 162. Auch Mölzer ( 1980 , 69 f. bzw. 1994b , 135 ) konstatiert , dass „Waf-
fenstudenten“ seit 1945 bisweilen mit Verabredungsmensuren „auf Beleidigungen oder was sie dafür hal-
ten“ reagierten.
433 Germanenmitteilungen , Juni 1964 , 10 f.
434 Interview vom 8. 6. 2012. Golücke schätzte noch 1987 ( S. 269 ), dass die Contrahage „bei den östr. Bur-
schenschaften ( … ) einen Anteil von 40 % an der Zahl der Mensuren“ habe.
435 Vgl. die Verbreitung einer Denkschrift „gegen das Hatz- und Kontrahageunwesen“ durch die Oberöster-
reicher Germanen ( 1967 , 162 f. ) oder das III.5.2 erwähnte Paket an Reformvorschlägen der Moldaven.
436 Vgl. z. B. Oberösterreicher Germanen 1967 , 162.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619