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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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Bedeutung des Farbentragens durch diesbezügliche Sensibilitäten des politischen Ge-
genübers. Nicht von ungefähr enthielten die Einladungen für die just um den ‚Tag der
Arbeit‘ abgehaltenen ADC-Tage 1958 in Linz und 1959 in Salzburg jeweils die Auf-
forderung , am 1. Mai „auf den Straßen keine Farben zu tragen“.159 1955 hatte man eine
entsprechende Weisung vermeiden können , da im Vorfeld „mit den Fraktionsvorstän-
den in Gmunden Burgfrieden vereinbart werden konnte“.160
Die effektive Außenwirkung der verbindungsstudentischen Gesellschaftsereignisse
wurde nicht zuletzt durch die von ihnen hervorgerufene mediale Resonanz bestimmt.
In diesem Punkt fielen die Befunde lokal unterschiedlich aus. Während Schödl dem
ersten Innsbrucker Nachkriegs-Kommers im November 1952 eine „ausführlich( e ) und
wohlwollend( e )“ Behandlung durch die Presse attestiert , beklagt der Aula-Bericht über
den ersten WKR-Ball knapp drei Monate später dessen „konsequente( s ) Verschwei-
gen( ) in der Tagespresse“.161 Auch das Bewusstsein für die Bedeutung medialer Re-
präsentation im Sinne der Imagepflege wie auch der politischen Handlungsfähigkeit
brach sich in Korporiertenkreisen uneinheitlich Bahn : Während der Akademikerver-
band für Wien , Niederösterreich und das Burgenland schon früh ein Referat für „Presse
und Propa ganda“ führte162 , schritt der ADC erst 1962 an die Einführung eines eige-
nen Pressereferats , nachdem Burschenschaften in Zusammenhang mit neonazistischen
und terroristischen Umtrieben 1961 verstärkt in die öffentliche Kritik geraten waren.163
II.4.1 Salonfähigkeit durch konservative Elitensolidarität
Neben der medialen Berichterstattung beeinflussten auch die Beziehungen zu Vertretern
anderer Milieus bzw. politischer Lager den Erfolg des Kampfes der völkischen Korpo-
rationen um ihren Platz im öffentlichen Leben Nachkriegsösterreichs. Die Unterstüt-
zung durch ‚unbelastete‘ ( oder zeitgerecht ‚entlastete‘ ) Repräsentanten der nunmehrigen
Funktions- und Meinungseliten war geeignet , Salonfähigkeit in einem Gemeinwesen zu
verschaffen , dem der Antinazismus zumindest als Gründungsmythos eingeschrieben war.
Gesucht und gefunden wurde sie v. a. in konservativ-bildungsbürgerlichen Milieus , was
angesichts sowohl ideologischer164 als auch habitueller Verwandtschaft nahelag.
159 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Einladung zum ( ord. ) ADC-Tag und Altherrentag 1958 bzw. BAK , DB 9 , E. 4
[ B1 ], Einladung zum ADC-Tag 1959.
160 BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], ADC-Rundschreiben Nr. 4 ( Germania Innsbruck ) vom 20. 4. 1955 , 2.
161 Vgl. Suevia 1958 , 112 bzw. Aula Nr. 6 / 1953 [ März ], 21.
162 Aula Nr. 7 / 1953 [ April ], 20.
163 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1962 , 13 f. sowie die Niederschrift dessel-
ben DBÖ-Tages , 10 f. Zu den hier angesprochenen Ereignissen vgl. die Chronologie in Kapitel IV.3.3.
164 Vgl. hierzu , insbesondere zu deutschnationalen Traditionslinien im österreichischen Christkonservatis-
mus nach 1945 , exemplarisch den Exkurs zur Steiermark in Kapitel V.5.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619