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III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
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sitionen in der Gesellschaft , im Staat als sondersgleichen zu betrachten“.502 Die Zu-
gehörigkeit zur Verbindung sollte einen entsprechenden Status verbriefen.503 Bis 1945
ließ sich diese Selbstdarstellung für viele völkische Korporierte ( für katholische noch
bedeutend länger ) auch in tatsächliche Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Funk-
tionselite übersetzen
– ihrer antagonistischen Einstellung dem jeweiligen Regime ge-
genüber zum Trotz. Stimmers Erhebungen nach wiesen die „( n )ational-liberale( n )
Korporationen“ ( ein bei ihm sehr weit gefasster Überbegriff für bundhafte Gruppie-
rungen völkischer oder liberaler Ausrichtung ) in der Auslaufphase der Monarchie
( 1911 bis 1918 ) einen Anteil von 14 Prozent an den Regierungsmitgliedern auf , in der
Ersten Republik bis 1933 lag der Anteil bei rund einem Drittel ; im Zeitraum 1933 bis
1938 betrug er
– im Kontext des Ständestaates
– 20 Prozent , in der Phase der Einglie-
derung Österreichs ins Deutsche Reich ( 1938 f. ) stieg er auf den Rekordwert von 70
Prozent an.504 Das Jahr 1945 brachte , wie Kapitel V.1.1 zu entnehmen ist , einen radi-
kalen Schnitt – und veranlasste gleichzeitig die Burschenschaften , sowohl die oppo-
sitionellen als auch die elitaristischen Anteile ihres Selbstverständnisses einer Aktu-
alisierung zu unterziehen.
III.6.1 Herausforderung Zweite Republik
Die Wiederherstellung der österreichischen Republik unter der politischen und mo-
ralischen Führung der antinazistischen Parteien forderte die völkischen Verbindungen
in mehrfacher Weise heraus : Zum Ersten lieferte sie ihnen eine Negativfolie zur Be-
stimmung ihres eigenen Standpunktes post 1945. Zum Zweiten schloss sie die Ange-
hörigen dieser Verbindungen , sofern sie nicht den Weg zu einer der beiden Großpar-
teien fanden , weitgehend von funktionselitären Positionen aus , in denen sich nun , zu
allem Überfluss , mehr denn je die historischen Gegenspieler der ‚Schlagenden‘ aus
502 Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7.
503 Ihre nicht auf einzelne Positionsinhaber beschränkte , der Idee nach pauschale Aussagekraft lässt Stim-
mer vom „Phänomen der Elitenrepräsentation durch die Gesamtgruppe“ sprechen ( Stimmer 1997 , Band
II , 1075 ).
504 Stimmer 1997 ( Band II ), 1061 , Tab. III. Weiters betrug der Anteil der „( d )eutschnationalen ( liberalen )“
Korporationen an den parteigebundenen Ministern der Parteien ihres Lagers in der Monarchie 57 ( 1897
bis 1911 ) bzw. 71 Prozent ( 1911 bis 1918 ) ( ebd., 1062 ). In der Ersten Republik stellten sie sämtliche Mi-
nister der Großdeutschen Volkspartei ( GVP ) und ihrer Vorgängerparteien , für den Landbund betrugen
die Werte 71 ( 1927 bis 1933 ) bzw. 60 Prozent ( 1933 bis 1938 ). Auch für Heimwehr und Nationalsozialisten
weist Stimmer hohe Werte von bis zu drei Vierteln aus , selbst für die Sozialdemokratie in der republi-
kanischen Frühphase ( 1918 bis1920 ) ermittelte er einen Anteil von 21 Prozent ( ebd., 1063 ). Über die tra-
gende Rolle völkischer Korporierter in der Bundespolitik hinaus ist hinsichtlich der gesellschaftlichen
Breite und Reichweite ihres Einflusses auch auf ihre Eigenschaft als „zumal in der Provinz ( … ) dünne
Firnisschicht von Wissen und Leistung kumulierenden Akademikern“ hinzuweisen ( Harald Lönne-
cker in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 1/2008 , 36 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619