Seite - 80 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 80 lichen und parteipolitischen Eingliederung der ‚Ehemaligen‘ und die Wende vom Anti- nazismus zum Antikommunismus im Kontext des Kalten Krieges. Dass große Teile der völkischen Korporationen in Österreich sich früh und begeis- tert in den Dienst der nationalsozialistischen Sache gestellt hatten , wurde nach 1945  – jedenfalls auf korporativer ( überindividueller ) Ebene  – den Quellen nach zu schließen kaum zum Gegenstand ernsthafter ( Selbst-)Reflexion gemacht. Die Unterlassung sol- cher Ursachenforschung , wesentlich begünstigt durch psychische Bedürfnisse der Ein- zelmitglieder , stand Reformen in Form und Inhalt ebenso im Weg wie das ( v. a. bur- schenschaftliche ) Standhaftigkeitsideal und die völkische Trotzreaktion auf die ( anders als 1918 vom Großteil der Bevölkerung und der politischen Eliten begrüßte ) Wieder- herstellung der österreichischen Eigenstaatlichkeit. Freilich wurden den Korporationen solche Einkehr und Reform im Kontext eines gesellschaftlichen Umfelds , das sie auch in ihrer alten Façon in der Nachkriegsgesellschaft willkommen hieß , sowie der weithin konsensualen Politik der Ent-Entnazifizierung177 auch nicht abgefordert. II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung Gefallen  – vermißt  – an Wunden gestorben , vertrieben  – erschlagen  – in Lagern verdorben , für Heimat und Volk , weil sie Deutsche waren ! So haben ihr Leben viel Tausend gegeben ! Den toten Burschenschaftern 1939–1945 So lautet die Inschrift einer Marmortafel in einem Stockwerk des Linzer ‚Burschen- schafterturms‘ , der zentralen burschenschaftlichen Erinnerungsstätte in Österreich , das dem Andenken der gefallenen Burschenschafter in den beiden Weltkriegen gewidmet ist. Die Tafel wurde im Zuge der 1977 abgeschlossenen Restaurierung des Turms ange- bracht. Die Inschrift illustriert denkbar plastisch eine in burschenschaftlichen Kreisen in Österreich bis heute vorherrschende Form des Erinnerns an die Zeit des National- sozialismus. Es handelt sich dabei offenkundig um eine eigenwillige Erzählung : nicht , „weil sie Deutsche waren“, fielen Burschenschafter in Stalingrad , bei El-Alamein und am Pointe du Hoc , sondern weil das Regime , dem gerade in Österreich viele von ihnen ideologisch und aktivistisch den Boden bereitet hatten , zuvor den halben Erdball mit einem Aggressionskrieg beispiellosen Ausmaßes überzogen hatte. In der zitier ten Dar- 177 Der Begriff entstammt einem Artikel von Albert Müller ( 1997 ). Im Zuge des Lektorats wurde die ent- scheidende Vorsilbe irrtümlich entfernt und ist daher in der gedruckten Version des Textes nicht ent- halten.