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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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der Parlamentsausschaltung aktiv zu beteiligen.772 Für die gesellschaftliche Entwick-
lung seither konstatiert Rathkolb ein Abnehmen des Autoritarismus in jüngerer Zeit
und verweist u. a. auf Daten von 1997 , wonach „8 Prozent der Bevölkerung als eindeu-
tig autoritär , 51 Prozent hingegen als eindeutig nichtautoritär klassifiziert wurden“773,
sowie auf eine in seinem Auftrag 2004 durchgeführte Neuauflage der Linzer Studie
von 1978. Die Frage zum Gehorsam als wünschenswerte kindliche Tugend wurde noch
immer von 68 Prozent der Befragten bejaht , bei anderen Items war jedoch ein starker
Rückgang – etwa der Zustimmung zur Todesstrafe auf 12 Prozent – feststellbar.774
Exkurs: Zur Demokratisierung der österreichischen Hochschulen
Das schwierige Verhältnis des völkischen Lagers zur Demokratie als Inhalt respek-
tive zur Demokratisierung als Erweiterung der Möglichkeiten von Individuen , an der
Ausgestaltung all ihrer Lebensbereiche aktiv mitzuwirken , kam auch in der Hoch-
schulreformdiskussion der 1970er-Jahre zum Tragen. Die studentische Linke , aber etwa
auch die ÖVP-nahe Österreichische Studentenunion ( ÖSU ) hatten sich den Kampf um
mehr ‚Mitbestimmung‘ auf die Fahnen geschrieben. Das Universitätsorganisations-
gesetz ( UOG ) von 1975 und , in geringerem Maße , das Hochschülerschaftsgesetz von
1973 reflektierten einen Paradigmenwechsel von der Ordinarien- zur Gruppenuniversi-
tät und brachten mit der Einführung von Kollegialorganen unter Einbindung der Stu-
dierenden auf allen Ebenen wesentliche Veränderungen mit sich.775 Burschenschaften
und RFS befanden sich im Zuge dieser Reformdebatten verlässlich auf der Linie jener
Professoren , die Einschränkungen ihrer Allmacht nicht hinnehmen wollten. Als zen-
trales Argument für den Erhalt der Professorenherrschaft fungierte dabei die Vernei-
nung der Qualifikation anderer Gruppen , über akademische Angelegenheiten zu befin-
den , die über ihre unmittelbare Alltagsexpertise hinausgingen. Gemäß dem Grundsatz
der „funktionsorientierte( n ) Mitbestimmung“ wollte man beispielsweise die Studieren-
den zwar mit studienrechtlichen Belangen befassen , nicht aber etwa mit Berufungen.776
772 Zit. n. Kaindl-Widhalm 1990 , 158.
773 Rathkolb 2005a , 70.
774 Vgl. ebd., 411 f.
775 Vgl. Österreichische HochschülerInnenschaft 2006 , 32 f. Gleichzeitig markierte das UOG 1975 den
legistischen Höhepunkt universitärer Demokratisierung , da die folgenden großen Universitätsrefor-
men ( in Form des UOG 1993 und v. a. des UG 2002 ) in die Gegenrichtung wirkten ; statt einem Leit-
gedanken der Demokratisierung rückte nun jener der wirtschaftlichen ‚Effizienz‘ in den Vordergrund
( vgl. ebd., 40 bzw. 45 ).
776 Der Ring Nr. 5 / 1970 , 4. In der praktischen Umsetzung blieb allerdings auch das Bekenntnis zu studen-
tischer Mitbestimmung auf den unteren Ebenen der Universitätshierarchie und in Studienangelegen-
heiten zum Teil auf der Strecke. Die Sprengung einer Vollversammlung der Wiener Institutsvertreter-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619