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III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt
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stehende Listen ) und kommunal- , landes- und bundespolitischen Parlamenten ( v. a. über
die FPÖ ) verweisen : Dem eben erwähnten Zugehörigkeitswunsch entsprechend vollzog
burschenschaftliche Beteiligung an politischen Kämpfen sich zu einem Gutteil in den da-
für vorgesehenen Foren und nach deren Regeln , womit die burschenschaftlichen Akteure
sich als Mitglieder des politischen Systems der Zweiten Republik konstituierten.590 V. a.
aber ruhte der burschenschaftliche Antagonismus zu politischen und gesellschaftlichen
Realitäten in Österreich nach 1945 nur in seltenen Ansätzen auf einem gesellschaftskri-
tischen Fundament. Weit üblicher waren emotional gestimmte Einlassungen über ver-
meintliche kulturelle Dekadenzerscheinungen , was angesichts der für Burschenschaf-
ten typischen Ablehnung materialistischer Gesellschaftsanalyse nur folgerichtig ist.591
Im Allgemeinen fand die burschenschaftliche Bereitschaft , auch unpopuläre Über-
zeugungen zu verteidigen , an den Grenzen des eigenen ‚Volkstums‘ augenscheinlich ein
jähes Ende. So wird der Ausschluss der jüdischen Alten Herren der Olympia 1889 in der
Verbindungschronik von 1996 als „Gebot der Zeit“ dargestellt : „Mit dem Aufblühen des
nationalen Lebens zu Beginn der Achtziger Jahre [ des 19. Jahrhunderts , Anm. B. W. ]
unter dem Einfluß des Reichtsratsabgeordneten ( … ) Schönerer waren diese Maßnah-
men notwendig geworden , wollte man nicht Gefahr laufen , die Anerkennung als Bur-
schenschaft zu verlieren.“592 Folgt man der Darstellung des Chronisten , wonach der
erwähnte Schritt nicht aus antisemitischer Überzeugung erfolgt sei ( tatsächlich betä-
tigten sich die Olympen anders als etwa Liberten und Silesen wohl als Protagonisten ,
nicht aber als Vorreiter antisemitischer Politik in Österreich ), bleibt nur zu schließen ,
dass die Ächtung einer opportunistischen Orientierung an Mehrheitsmeinungen im
burschenschaftlichen Lager jedenfalls vor 1945 keine grundsätzliche war.
III.7 Völkischer Nationalismus593 als weltanschaulicher Angelpunkt
Von Günther Cerwinka stammt die Diagnose eines „Primat( s ) des ‚Nationalen‘ “ als
Merkmal burschenschaftlicher Politik in Österreich. Dieses Primat habe sich „ab 1867“
durchgesetzt , die „bisherigen großdeutsch-liberalen Positionen“ abgelöst.594 „Der Groß-
590 Vgl. dazu noch grundsätzlicher Sandner 2001 , 13 , der Marcel Gauchet zitiert : „Der Kampf zwischen den
Menschen erzeugt Zugehörigkeit und stellt die Dimension der Gemeinschaft wieder her.“
591 An der Schnittstelle zwischen beidem lässt sich etwa die diffuse Reflexion über Vor- und Nachteile der
„westlichen Gesellschaftsform“ gegenüber jener des Realsozialismus in den Semesternachrichten der Wie-
ner Silesen vom Wintersemester 1989 ( S. 11 ) verorten.
592 Dvorak 1996 , 26.
593 Zum Begriff des ‚Völkischen‘ vgl. die Ausführungen in Kapitel I.5 , zur Diskussion der Spezifika des völ-
kischen Nationalismus vgl. Kellershohn 1998 und Breuer 2008 , 7–21 ( kompakt : Breuer 2005 , 499–501 ).
594 Cerwinka 2009 , 94. Es sei an dieser Stelle daran erinnert , dass – sofern nicht anders angegeben – ‚na-
tional‘ in diesem Buch ( und somit auch im vorliegenden Abschnitt ) stets deutsch-national meint.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619