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V. BURSCHENSCHAFTEN UND
POLITISCHE PARTEIEN
„Die Milchmädchenrechnung , daß eine Politisierung der Burschenschaft zwangsläufig
zu deren Abgleiten in parteipolitische Dimensionen führen müsse , ging erwiesenerma-
ßen nicht auf.“ So lautete 1973 das Zwischenresümee Norbert Gugerbauers über den
unter seiner Ägide eingeschlagenen Kurs der Oberösterreicher Germanen.1 Tatsächlich
hat sich weder seine Burschenschaft noch ein anderer Bund seit Auflösung der NSDAP
korporativ , d. h. geschlossen in den Dienst einer Partei gestellt. Dass aber zentrale Ak-
teure der im Zitat angesprochenen , nicht nur auf die Oberösterreicher beschränkten
burschenschaftlichen Politisierung um 1970 keine zwanzig Jahre später in ein und der-
selben Partei u. a. als Bundesobmann ( Jörg Haider , Silvania/Südmark Wien ), Wiener
Landesobmann ( Rainer Pawkowicz , Aldania ) oder Generalsekretär ( Gugerbauer ) am-
tierten , ist schwerlich als Zufall abzutun.2 Wenn Burschenschafter nach 1956 ihre po-
litischen Ambitionen in parteiförmiger Weise zu verwirklichen suchten , so führte die-
ser Weg sie zu annähernd 100 Prozent in die Freiheitliche Partei Österreichs ( FPÖ ) oder
in den außerparlamentarischen Rechtsextremismus ( und in nicht wenigen Fällen auch
in beide ). Umgekehrt wies die FPÖ gerade in gehobenen Positionen zeit ihrer Exis-
tenz einen beträchtlichen Anteil an völkischen Korporierten auf. Anfang 2014 war etwa
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundesparteivorstandes ( 20 von 38 ) korporiert.3
Im vorliegenden Kapitel V soll das Verhältnis der Burschenschaften in Österreich
zu politischen Parteien in der Zweiten Republik behandelt werden. Im Zentrum steht
dabei aufgrund ihres noch näher auszuführenden , herausragenden Stellenwerts die
FPÖ ( einschließlich ihres Vorläufers , des Verbands der Unabhängigen/VdU ). Liberale
Parteien wie das Liberale Forum ( LiF ) finden dagegen kaum Behandlung. Obwohl sie
nach Adam Wandruszka ebenso dem ‚Dritten Lager‘ zuzuordnen wären wie die FPÖ4 ,
waren Burschenschafter in ihnen nach 1945 nur vereinzelt engagiert und konnten dabei
kaum politische Relevanz erlangen. Dass , wie u. a. in Kapitel III.8 argumentiert wurde ,
1 Zit. in Oberösterreicher Germanen 1994 , 34.
2 Vgl. ebd., 21 zur zentralen Rolle Haiders und Gugerbauers bei der Gründung der Wiener Örtlichen Bur-
schenschaft 1970 , welche dem Chronisten der Oberösterreicher Germanen zufolge eine zuvor nicht gekannte
„burschenschaftlich-politische Aktivität“ entfaltete.
3 Eigene Zählung auf Basis der Mitgliederliste in APA-OTS 0121 vom 7. 1. 2014.
4 Vgl. zu Wandruszkas Lagertheorie dessen grundlegenden Text von 1954. Das Exemplar in der Bibliothek
des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien trägt – mit Blick auf die Ausführungen in der fol-
genden Fußnote bezeichnenderweise – eine handschriftliche Widmung Wandruszkas an Walter Riehl
„in aufrichtiger Verehrung“. Riehl war zwischen 1919 und 1923 Obmann der Deutschen Nationalsozialis-
tischen Arbeiterpartei ( DNSAP ) in Österreich gewesen.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619