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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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V.3.2 Haider-Ära, zweite Regierungsbeteiligung und Parteispaltung
Mit Haider übernahm erstmals in der Parteigeschichte ein Burschenschafter die Füh-
rung der FPÖ. Zumindest anfänglich brachte seine Amtsübernahme eine merkliche
Verbesserung des Verhältnisses von völkischen Korporationen und Partei , gemessen je-
denfalls an der angespannten Situation der Steger-Ära. Frischenschlager erwähnt , dass
die Betätigung in der FPÖ für Burschenschafter mit burschenschaftlichem Anspruch
an die Politik „mit Haider wieder en vogue geworden“ sei. Auch jene „paar“ Burschen-
schafter , die zuvor auf der Seite der Regierungsriege gestanden wären , hätten sich nach
dem Obmannwechsel „völlig ( … ) dem Haiderismus ( untergeordnet )“.185 Parteipoli-
tisch stünden die völkischen Verbindungen , so der Landsmannschafter Harald Kohl-
weiß ( Cimbria Wien ) im Oktober 1986 als Sprecher des WKR , der FPÖ „seit einigen
Wochen noch näher als vorher“.186
Diese Hinwendung wurde von Haider nicht in vollem Ausmaß erwidert. Nach Fri-
schenschlagers Einschätzung hatte dieser , obwohl selbst Burschenschafter , „nie viel mit
den Korporationen am Hut gehabt“, als RFJ-Obmann seinem Eindruck nach sogar ihren
Einfluss in Grenzen zu halten versucht.187 Auch Allesch nahm Haider nie als „eindeu-
tige( n ) Vertreter dieses nationalkonservativen Flügels“ war ; vielmehr sei er „zeit lebens
ein ideologischer Opportunist“ gewesen. Sowohl im RFJ als auch im Atterseekreis habe
er sich als Liberaler geriert , mit seinem Wechsel in die Kärntner Landespartei 1976 je-
doch sei er abrupt auf die „Kärntner Linie“ aufgesprungen und habe sich u. a. mit „an-
ti-slowenischen Aussagen“ zu profilieren begonnen.188 Seine Übernahme des Parteivor-
sitzes markierte nach Alleschs Überzeugung weniger einen ideologischen Schwenk als
eine „Wende von der Ideologie zur Rhetorik“
– wenngleich das Primat der Rhetorik und
der neue , populistische Stil einen inhaltlichen Rechtsruck begünstigt hätten.189 Diese
185 Interview vom 11. 12. 2009.
186 Zit. n. dem ibf-spektrum ( Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung ) Nr. 507 / 1986 , 4.
187 Interview vom 11. 12. 2009. Auch Günther Barnet ( VDSt Sudetia Wien ) konstatiert , dass Haider „ent-
gegen vieler Behauptungen gar nicht so sehr die Burschenschaften in den Vordergrund gestellt , son-
dern ( … ) sich teilweise ihrer bedient“ habe ( ORF-Report vom 19. 6. 2012 ).
188 Interview vom 13. 11. 2009. Zum Liberalismus des jungen Haider vgl. sein „Grußwort der Jugend“ an-
lässlich der 25-Jahr-Feier der FPÖ 1974 ( abgedruckt in FPÖ 1991 , 53–55 ), das inhaltlich stark an Posi-
tionen des damaligen RFS um Haiders Waffenbruder Gugerbauer erinnert und bereits Haiders spätere
Absage an das Links-Rechts-Schema – auch konkret in Bezug auf die FPÖ – enthält ( vgl. ebd., 54 ).
Schon im Jahr zuvor , berichtet Grillmayer ( 2006 , 147 ), habe Haider am Wiener Landesparteitag den
Gemeinderat Otto Krenn „scharf kritisiert , als dieser zum Thema ‚Gastarbeiter‘ von einer ‚Gefährdung
des Volkstums‘ sprach“.
189 Allesch 1988 , 15 f. bzw. Interview vom 13. 11. 2009. Allesch erinnert auch die Innsbrucker Debatte als we-
niger ideologisch denn von einem weitverbreiteten Wunsch nach einem anderen Politikstil geprägt.
Gleichwohl wertet Allesch die Kür Haiders als Indiz , dass die von Steger und den Seinen vorüber-
gehend etablierte liberale Hegemonie in der Partei „eher oberflächlich“ geblieben war und als Reaktion
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619