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VI.2 Zur burschenschaftlichen Politikfähigkeit
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kratie ( auch ) als Form auf , was an dieser Stelle keiner näheren Ausführung mehr bedarf
( vgl. dazu Kapitel III.8.1 ). Vielmehr möchte ich anhand einiger mir zentral erscheinen-
der Punkte aufzeigen , dass diese Problematik mit Ideologie und Politik verständnis der
Burschenschaften in ursächlichem Zusammenhang und aufgrund dessen auch nach wie
vor besteht. Dass dem so ist , verweist einmal mehr auf die burschenschaftliche Refle-
xionsabwehr bzw. Art der Vergangenheitsbewältigung nach 1945 zurück. Die Schnitt-
mengen von nationalsozialistischer und burschenschaftlicher Ideologie , das Lebens-
bundprinzip , die Kränkung über die Niederlage Nazideutschlands ( die jedenfalls in
Österreich auch eine burschenschaftliche Niederlage war ), die Verzweiflung angesichts
des neuerlichen ‚Ausschlusses aus Deutschland‘ sowie die generelle rigoristische Di-
sposition der Burschenschaften in Österreich standen gründlicher ( Selbst-)Reflexion
ebenso im Weg wie das Bedürfnis nach Aufrechterhaltung des eigenen Selbstbildes
und nach Legitimierung des burschenschaftlichen Verhaltens im und auf dem Weg in
den Nationalsozialismus. Anstatt sich schmerzhafter Selbstkritik zu unterziehen , op-
tierte der Mainstream der österreichischen Burschenschafter in der Nachkriegszeit für
ostentative Beharrung ( vgl. die Kapitel II.3.1 und II.5 ).
VI.2.1 Liberal-demokratische und burschenschaftliche Weltsicht
Grundlage des liberalen Demokratieverständnisses ist das Postulat universeller mensch-
licher Gleichheit. Während dieses von Burschenschaftern heute in seiner abstrakten
Form kaum verneint wird , ergeben sich in materieller Hinsicht häufig Widersprüche.
Ihren offensten , wenn auch im historischen Vergleich heute zumeist gemäßigten Aus-
druck finden diese in Antisemitismus , Rassismus , Sexismus ( als Ideologie von den na-
turgewollten komplementären Geschlechterrollen und darauf basierende Politik ) und
völkischem Nationalismus. Gemäß dem Primat des Völkischen bildet das biologistisch
verstandene Volk in der in Österreich vorherrschenden burschenschaftlichen Vorstel-
lung das Subjekt von Demokratie bzw. von Politik überhaupt. Dieser Unterschied von
völkischem und republikanischem Nationalismus hat sich historisch fraglos als ausge-
sprochen bedeutsam erwiesen und ist es nach wie vor. Nichtsdestotrotz stehen die bei-
den Zugänge einander in ihren politischen Konsequenzen nicht diametral entgegen :
Ein Wahlrecht für die gesamte volljährige Wohnbevölkerung eines Landes wäre etwa
in beiden Konzeptionen unvorstellbar. Ist die Marginalisierung bestimmter Gruppen
bzw. die Aufrechterhaltung unterschiedlicher Niveaus an Teilhabemöglichkeiten inner-
halb einer Gesellschaft in liberaler Sicht schlichte Notwendigkeit im Sinne der Kapi-
talakkumulation ( d. h. Konsequenz des Interesses an der Vernutzung marginalisierter
Arbeitskraft , vgl. Kapitel III.7.3 ), liegt ihr im völkischen Denken die biologistische Be-
stimmung des Souveräns zugrunde.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619