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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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Weder der Südtirolkonflikt selbst noch die burschenschaftlichen Interventionen in
diesen können an dieser Stelle umfassend erörtert werden.356 Bekanntlich wurde das
umstrittene Gebiet nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugeschlagen und diese Zuord-
nung auch durch das Pariser Abkommen von 1946 zwischen Italien und Österreich be-
kräftigt. Die in diesem Abkommen ebenfalls enthaltenen Zusicherungen über Auto-
nomie- und Minderheitenrechte für die deutschsprachige Bevölkerung wurden von
italienischer Seite allerdings zunächst nur zögerlich und teilweise umgesetzt. Zwi-
schen 1956 und 1969 verübten separatistische Kreise zahlreiche Terroranschläge inner-
und außerhalb von Südtirol / Alto Adige , die 17 Todesopfer und zahlreiche Verletzte
forderten. 1969 approbierten die nationalen Parlamente Österreichs und Italiens das
von der sogenannten Neunzehner-Kommission vorbereitete ‚Südtirol-Paket‘ zur Er-
weiterung bzw. faktischen Umsetzung der Autonomierechte. Das Paket bildete die
Grundlage für das Zweite Autonomiestatut , das 1972 in Kraft trat und seit der Streit-
beilegungserklärung von 1992 ( im Nationalrat gegen die Stimmen der FPÖ beschlos-
sen ) als umgesetzt gilt. In den folgenden Erörterungen konzentriere ich mich auf die
1950er- und 1960er-Jahre als den Zeitraum der regsten und vielfältigsten burschen-
schaftlichen Südtirol-Aktivität.
IV.3.1 Der Konflikt in völkischer Perspektive
Cerwinka bezeichnet die Südtirolfrage – neben der Zurückweisung der Idee einer ös-
terreichischen Nation
– als bestimmendes Thema der politischen Arbeit der Burschen-
schaften in Österreich in den 1950er- und 1960er-Jahren.357 In der Tat richteten ADC
und DBÖ jedenfalls bis zur Paketlösung 1969 in keiner Angelegenheit häufiger Ent-
schließungen an staatliche Stellen. 1963 beschwor eine DBÖ-Resolution die „Erhal-
tung des Deutschtums in Südtirol“ als „mehr denn je eine der brennendsten nationalen
( … ) ( Aufgaben )“.358 So vordringlich erschien dieses Anliegen , dass Burschenschafter
im RFS es sogar in die Gremien der studentischen Selbstverwaltung trugen359 – ent-
gegen der ansonsten von den Freiheitlichen Studenten stets verfochtenen Linie , wonach
die ÖH sich allgemeinpolitischer Betätigung zu enthalten habe. Wenngleich die suk-
356 Vgl. allgemein Steininger 2004 ; zum Bombenterror Franceschini 1993 sowie Peterlini 2011 ; zur bur-
schenschaftlichen Beteiligung vgl. Gehler 1997b , 200–205 sowie – etwas ausführlicher als hier – Wei-
dinger 2013 , 374–406.
357 Cerwinka 2009 , 101.
358 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 2.
359 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 5 und
– im selben Bestand
– Anlage 3 zur
Niederschrift des ( ord. ) ADC-Tages 1958. Burger ( 1959 , 137 ) zufolge hätten Olympen mit ÖH-Mandaten
„nie eine Gelegenheit vorbeigehen ( lassen ), in den verschiedenen Ausschüssen die Südtirol-Frage zur
Diskussion zu bringen , um so die ganze österreichische Studentenschaft für einen Einsatz zur Durch-
setzung unserer gerechten Forderungen in Südtirol zu gewinnen“.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619