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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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Demokratie
– nicht nur als Herrschaftsform , sondern auch als Prinzip der Einrichtung
sozialer Verhältnisse im weiteren Sinn
– in der Zweiten Republik erörtert werden. Die
politische Praxis der Burschenschaften nach außen und auf Verbands ebene wird da-
bei ebenso beleuchtet werden wie die Ausgestaltung der Beziehungen der Bundmit-
glieder zueinander.
III.8.1 Zwischen Barrikaden, Bismarck und Führerprinzip
Nach eigener Darstellung stellen Burschenschaften die „älteste demokratische Bewe-
gung im deutschen Sprachraum“ bzw. „die älteste demokratische Organisation in Öster-
reich“ dar.717 Als solche seien sie für die Erringung von Grundrechten und bürger lichen
Freiheiten dortselbst wesentlich mit- , wenn nicht hauptverantwortlich gewesen.718 Dar-
stellungen wie diese lassen die sukzessive Entliberalisierung des völkischen Verbin-
dungswesens in Österreich unberücksichtigt , deren Beginn meist mit der Deutschen
Reichsgründung
– und damit nur gut ein Jahrzehnt nach den ersten nachhaltigen Bur-
schenschaftsgründungen auf österreichischem Boden
– angesetzt wird. Silesia hatte gar
bereits 1863 stolz verkündet , dass ihr „von ‚republikanischen und demokratischen‘ Bei-
mischungen freies Ideal nun endlich in alle akademischen Kreise Deutschösterreichs
gedrungen“ sei.719 Dieses „Umschwenken der deutschnationalen Korporationsgrup-
pen von den Leitideen des Liberalismus auf einen ( phasenweise extremen ) Irridenta-
Nationalismus [ sic ] und das autoritäre Modell des preußischen Staates“ wird heutzu-
tage jedenfalls nach außen hin nur ungern erinnert.720
Mit dem erwähnten Umbruch rückten die Burschenschafter in Österreich nun
eine ‚gesamtdeutsche Einigung‘ als Fern- sowie deutsche Vorherrschaft in der Donau-
monarchie als Nahziel ins Zentrum ihres politischen Engagements. Demokratisie-
rung stand weniger denn je auf der burschenschaftlichen Agenda. Im Gegenteil ist mit
zipation mündiger BürgerInnen und die Ablehnung des Faschismus im Widerspruch zu ‚Freiheit‘ ste-
hen sollen , lässt Rückschlüsse auch über den Gehalt des Begriffes ‚freiheitlich‘ zu.
717 Graf 2009b , 7 bzw. DÖW , Keil-Flugblatt der Gothia Wien vom Wintersemester 1994.
718 Vgl. etwa Aldania 1994 , 14 und 16 sowie Wagner 2009 , 43. 1848 wird in dieser Sichtweise schon ein-
mal zur „burschenschaftliche( n ) Revolution“ ( Aldania 1994 , 14 ), obwohl im Vormärz nur zarte An-
sätze burschenschaftlicher Organisierung in Österreich existieren konnten und diese mit Anbruch
der Revolte in der Gesamtstudentenschaft aufgingen ( vgl. Frey 1983 , 4–10 , 66 und 101 ). Dem Lands-
mannschafter Klaus-Walter Frey zufolge habe während der Revolte nur eine Burschenschaft bestan-
den , während sich „keine bekannten Quellen finden“, welche „Aktivitäten der Einzelkorporierten
selbst belegen“ ( ebd., 66 ).
719 Zit. n. Peham 2012 , 13 f.
720 Stimmer 1997 ( Band I ), 500. Auch Lönnecker äußert sich über die „Borussophilie und ( … ) grenzen-
lose Bismarckverehrung“ vieler österreichischer Bünde , die „stets nur den Reichseiniger sahen , den
preußischen Royalismus und Konservatismus des Kanzlers aber ignorierten“ ( Burschenschaftliche Blätter
Nr. 1/2008 , 37 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619