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I. Einleitung
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I.4 Quellen und Quellenkritik
Die Absicht , den subjektiven Sinn burschenschaftlichen Handelns zu ergründen , lässt
die Arbeit mit burschenschaftlichen Quellen alternativlos erscheinen , ermöglichen diese
doch
– gegenüber Sekundärliteratur oder Medienberichten
– einen ungleich direkteren ,
umfassenderen und weniger dekontextualisierten Zugang zu den Motiven , Problem-
bestimmungen , Selbst- und Weltdeutungen der untersuchten Akteure. Nicht zuletzt
erlauben sie es , die Selektionseffekte zu umgehen , die sich aus medialer Aufmerksam-
keitslogik und/oder den politischen Motiven von AutorInnen und JournalistInnen er-
geben. Nicht wenigen Sekundärtexten zu Burschenschaften ist ein unverhältnismäßi-
ger , teils als manipulativ zu bezeichnender Fokus auf skandalisierungsfähige Aussagen
und Ereignisse zu attestieren. Umgekehrt verheißt unveröffentlichtes Material ( als Teil
der burschenschaftlichen Quellen ) gerade insofern besonders interessante Aufschlüsse ,
als deren Urheber Skandalisierung weniger zu scheuen brauchten. Meine Erwartung
war , dass burschenschaftliches Denken und Handeln hier in sprachlich wie inhaltlich
offenerer , weniger durch propagandistische und selbstdarstellerische Bedürfnisse wie
durch pragmatische Rücksichtnahmen beeinflusster Form zutage träten. Dies erwies
sich in der Arbeit am Material zum Teil als zutreffend , während gleichzeitig auch spe-
zifische Beschränkungen und Herausforderungen der Arbeit mit burschenschaftlichen
Quellen – veröffentlichten wie internen – offenbar wurden.
Einer näheren Erörterung dieser Problematiken stelle ich eine grobe Übersicht des
in der Arbeit verwendeten Quellenmaterials voran. Für den Bereich der veröffentlichten
Quellen ist dabei zuerst die seit 1951 elfmal jährlich erscheinende Aula ( bis September
1952 : Der freiheitliche Akademiker ) zu nennen. Wenn auch formal keine Korporierten-
zeitschrift , gilt sie doch seit ihrer Gründung als zentrales Medium des völkischen Ver-
bindungsmilieus in Österreich.43 Als zweites wichtiges Periodikum sind die in viertel-
jährlicher Frequenz erscheinenden Burschenschaftlichen Blätter anzuführen , das Organ
des größten burschenschaftlichen Dachverbandes Deutsche Burschenschaft ( DB ). Sie
konnten nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1950 ihre 1887 begonnene Tradition fortset-
zen. Österreichische Bünde sind in der DB seit 1971 ( wieder ) vertreten. Zu den veröf-
fentlichten Quellen zählen weiters Ephemera wie Flugblätter und Broschüren sowie
einzelne an ein breiteres Publikum gerichtete Publikationen burschenschaftlicher bzw.
verbindungsstudentischer Verbände. Mit Abstrichen wären zudem Monographien und
unselbstständige Publikationen korporierter Einzelpersonen zu nennen. Für die letzte
Phase der Untersuchung wurden darüber hinaus auch verbindungsstudentische Web-
sites berücksichtigt.
43 Vgl. zur Aula den entsprechenden Abschnitt in Kapitel IV.2.5 sowie Gärtner 1996.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619