Seite - 213 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III.5 Wandel und Beharrung 213 III.5 Wandel und Beharrung327 „Daß das neue Heim in einer , vom Großstadtverkehr wenig berührten Sackgasse liegt , ist unter den heutigen Umständen von Vorteil. Wir können hoffen , uns so gegen die Mode der Zeit und gegen die starke Konkurrenz anders gerichteter akademischer Vereinigun- gen zu behaupten.“328  – So kommentierte Teutonen-Chronist Mühlwerth den Erwerb des ‚Rothen Hofes‘ im achten Wiener Gemeindebezirk durch seine Verbindung 1959. Sein Bekenntnis zur wohligen Einrichtung in der weltabgewandten Impasse kann in doppel- ter Hinsicht als bezeichnend angesehen werden : zum einen für die vorherrschende , trot- zig-ablehnende bis defätistisch-desinteressierte Haltung der Burschenschaften Öster- reichs nach 1945 den Entwicklungen ihrer sozialen Umwelt gegenüber , zum anderen für ihren damit in Zusammenhang stehenden Bedeutungsverlust. In gewissem Maße hatten die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der jungen Zweiten Republik sie in diese Position gedrängt. Die eigenen Bemühungen , diesem Los zu entrinnen , anstatt gerade darauf die burschenschaftliche Nachkriegsidentität zu errichten , blieben jedoch überschaubar. Der Herausforderung , unter zu seinem Nachteil veränderten Bedingungen durch Selbstreform nach 1945 Relevanz zu bewahren , stand das deutsch-völkische Lager in Österreich insgesamt lange Zeit hilflos gegenüber. Gernot Stimmer attestiert ihm eine in der Gründungsphase nach 1945 noch nicht manifeste( ), langfristig jedoch wirksame( ) In- novationsunfähigkeit der deutschnationalen Elite , sich durch Umgewichtung bzw. Adaptie- rung ihrer nationalen Leitideen eine ideologische Legitimität zu verschaffen , die auch unter den geänderten politischen und sozialen Verhältnissen der Zweiten Republik eine dauerhafte numerisch relevante Existenz gewährleistete.329 In der Folge nähere ich mich zunächst der Frage an , inwieweit Burschenschaften ( in Österreich ) als konservative Vereinigungen eingestuft werden können. Auf Basis des- sen erörtere ich anhand konkreter , in burschenschaftlichen Kreisen geführter Debat- ten in drei chronologischen Phasen ihr Verhältnis zu Tradition und Fortschritt sowie den tatsächlichen Wandel , der sich dabei in der Zweiten Republik ergab ( oder auch 327 Wie auch die Thematik der Heterogenität des Burschenschaftswesens ist auch jene seiner Wandlungs- fähigkeit und -bereitschaft Gegenstand der gesamten Arbeit , wird im Sinne vertiefender Analyse je- doch im vorliegenden Abschnitt in den Fokus gerückt. 328 Teutonia 1968 , 109 f. Vgl. dazu auch die Festschrift der Alben von 2005 : Gegen den „unerträglichen Zeit- geist“, verkündet dort Altherren-Obmann Armin Weiser , helfe bisweilen nur die Flucht in den Kreis des Bundes ( Albia 2005 , 4 ). 329 Stimmer 1997 ( Band II ), 1000. Stimmer erkennt in der Reformunfähig- bzw. -unwilligkeit eines der „langfristig existenzgefährdenden Probleme“ des deutschnationalen Verbindungswesens in Österreich ( vgl. ebd., 998–1000 , Zitat : 998 ).