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Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den Römern bis Heinrich IV. 101
unter Augustus schienen sie den Römern als unübersteigbare Grenze zwischen
Italien und Gallien.219
Die Bewohner der Alpen waren für die Römer wilde, unzivilisierte Menschen.
Der Gegensatz Berg/Barbarei und Ebene/Zivilisation findet sich in der antiken
Literatur bereits bei den Griechen, beispielsweise bei Homer, der die Gebirgs-
bewohner als kriegerisch und roh schilderte. Bei den Römern taucht dieser To-
pos vor allem infolge der Eroberungen in den Alpen häufig auf. Begründet wurde
dies mit dem Glauben, das raue Klima der Gebirgsregionen sei dem Charakter
nicht zuträglich und fördere das Barbarische im Menschen.220 Außerdem litten die
nördlichen Gegenden des antiken Italien tatsächlich unter den Überfällen alpiner
Stämme. Ebenso machten die nach Norden marschierenden Römer immer wieder
unliebsame Bekanntschaft mit den Einheimischen.221 Dies, wie auch die hohen
Wegzölle der Einheimischen, war sicher ein Grund für die Römer, die Alpen end-
lich unter ihre Kontrolle zu bringen.222
Parallel dazu entstand der schon oben behandelte Mythos der Alpen als Schutz-
mauer Italiens. Als Leitgeschichte dieser Motive diente immer wieder Hannibal,
dessen Zug über die Alpen all diese Bilder in den schönsten Farben schillern ließ :
Er kämpfte gegen wilde Bergvölker und widrige Elemente223 und überschritt mit
den Alpen die wichtigste Schutzbarriere der Römer. Livius lässt Hannibal auf der
Passhöhe sagen, dass mit der Überschreitung der Alpen nicht nur die Mauern Ita-
liens sondern auch die von Rom gefallen wären.224 Auch in spätantiken Beschrei-
bungen der Alpen findet sich daher meist ein Hinweis auf Hannibal.225
Die Kriege der Römer in den Alpen schienen alle Vorurteile zu bestätigen und
nährten die Mythen. Florus schreibt mehr als 100 Jahre nach diesen Kämpfen, dass
219 Livius XXXIX 54 : „Alpes prope inexsuperabilem finem in medio esse“ ; Christ, Die Militärgeschichte
der Schweiz 453 f.
220 Monnier, Exploitation litteraire 42 ; Sonnabend, Mensch und Landschaft 160 f. und 341 f.; Rollinger,
Zwischen Faszinosum und Schauer 50. Siehe auch FN 9.
221 Strabon IV 6,3 und 7 ; Rollinger, Zwischen Faszinosum und Schauer 49.
222 Heuberger, Rätien im Altertum 51. Zum Gang der Eroberung in den Zentralalpen bzw. die Überfälle
der Kelten davor : Christ, Die Militärgeschichte der Schweiz 455.
223 Besonders ausführlich Livius XXI 32 ff. mit der Beschreibung der Gebirgsbewohner – darunter die
Beobachtung, dass ein Tal dicht besiedelt sei – eines Kampfes mit einheimischen Stämmen, einer
Vorbereitung für den Übergang mit warmer Kleidung und Vorräten sowie der Querung selbst,
darunter die zeitliche Einordnung mit Anfang November (Untergang der Plejaden).
224 Livius XXI 35.
225 Etwa bei Ammianus Marcellinus XV 11. Schon im 2. Jh. vor Chr. hinterfragte Polybios den Alpentopos
im Kontext seiner Geschichte Hannibals : Hätte dieser erfolgreiche Kriegsherr tatsächlich einen
Weg gewählt, bei dem durch die Gefahren der Großteil seines Heeres umgekommen wäre ? Hist.
III 47–48.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361