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112 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
organisiert, wie in teils erhaltenen Gesetzen und anderen Texten dokumentiert ist.
Zunehmend übernahmen auch Klöster Funktionen in den Grenzräumen.
Festungen konnten auch in eigentlich feindlichem Gebiet gehalten werden, als
eine Art Vorposten (oder Restposten) einer Macht. Daneben fallen im Alpenraum
Zonen auf, die völlig herrschaftsfrei scheinen. Hier dürfte es sich um Regionen
handeln, wo die Errichtung von Befestigungen nicht notwendig war, möglicher-
weise, weil sich die Anwohner selbst um die Verteidigung kümmerten. Diese mi-
litärisch geschulten und ausgerüsteten Einheimischen erscheinen in den Quellen
des 6. wie auch des 8. Jh. Im 7. Jh. dürften diese Menschen in den Alpen recht
autonom agiert haben können. Manchmal wurden an den strategisch wichtigen
Punkten des Gebirges gezielt Menschen zur Verteidigung angesiedelt. All diese
Arten der Grenzverteidigung kommen in den gesamten Alpen vor, von den noch
stark nach spätantiken Traditionen lebenden Westalpenbewohnern bis hin zu den
slawisch dominierten Ostalpen.
Die veränderten Verhältnisse spiegeln sich auch in den Berichten über die Al-
pen wider : Das Gebirge wurde im frühen Mittelalter anders beschrieben als in
der Antike. Die römischen Schriftsteller entwickelten schon in vorchristlicher Zeit
einige immer wiederkehrende Topoi, die dann bemüht wurden, wenn ein „Held“
– also ein siegreicher römischer Feldherr oder Hannibal – die Alpen querte. Erzäh-
lungen über Schnee und Eis dominierten die Berichte, im Gebirge war es immer
Winter. Kalte Winde und schroffe Höhen werden ebenso gern erwähnt, genauso
wie die wilden Menschen. Realistische Berichte sind nur selten und selbst diese
beschränken sich auf die winterlichen Alpen.
Schon in der Spätantike verschwinden diese Topoi. Falls nun das Gebirge über-
haupt erwähnt wird, so steht nun die Wildnis im Vordergrund. Aber auch dahin-
ter steht eine vorgegebene Erzählstruktur : Es gilt zu zeigen, dass die Natur von
Gott benutzt werden kann, um den Gläubigen beizustehen oder den Ungläubigen
zu strafen. Und so hilft in der Vita des Severin ein Bär, den Weg durch die ver-
schneite Landschaft zu finden, und in der Vita des Corbinian wird ein Dieb mit
einem wilden Eselsritt durch die gebirgige Wildnis bestraft. Im frühen Mittelalter
fand die ideale Klostergründung in der Einöde statt, die dann durch das Wirken
Gottes durch die Gläubigkeit der Mönche oder Nonnen in einen lieblichen Ort
verwandelt wurde. Dieses Ideal spiegelt sich auch in den Gründungsgeschichten
einiger alpiner Klöster wider. Diese literarische Folie sagt im Grunde genommen
gar nichts darüber aus, wie das Gebirge wirklich wahrgenommen wurde, und ob
der Ort tatsächlich abgelegen und unwirtlich war. In anderen Texten, die zu Ver-
fügung stehen, wurde das Gebirge auch dann kaum oder gar nicht erwähnt, wenn
die Ereignisse mitten in den Alpen stattfanden.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361