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146 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
knapp unter 1.800 m hohe Sölkpass, der Spuren von Nutzungen in römischer Zeit
zeigt.
Es befinden sich in diesem Raum zahlreiche Möglichkeiten, auf einfache Weise
das Gebirge zu queren, da hier generell die Übergänge um die 1.800 m hoch und
damit nur knapp oberhalb der schützenden Baumgrenze gelegen sind. Dasselbe
gilt auch für die Wege über die parallel zu den Niederen Tauern verlaufenden
Nockberge. Die Übergänge noch weiter östlich und nördlich liegen überhaupt
unterhalb von 1.500 m, etwa der Pyhrnpass (945 m), Schoberpass (849 m), Neu-
markter Sattel (894 m) und die Abkürzung Hohentauern/Rottenmanner Tauern
(1.265 m) zwischen Trieben und Judenburg. Dieser Übergang, manchmal auch
Triebener Tauern genannt, war in der Antike die Hauptverbindung zwischen Vi-
runum und Ovilava/Wels. Der antike Weg zwischen Solva und Cetium/St. Pölten
ist noch unbekannt.171
Der Radstädter Tauern oder der Hohentauern könnten noch in der Spätantike
überschritten worden sein, wie für das 5. Jh. die Vita des Severin überliefert. Fromme
Männer wollten im tiefsten Winter von Teurnia nach Lauriacum/Lorch, um dort-
hin eine Kleiderspende für Bedürftige zu bringen.172 In der Vita wird der Weg als
menschenleer geschildert, doch da eine hagiografische Absicht dahintersteckt, sollte
man diese Stelle nicht wörtlich deuten. Ein Rätsel gibt die Angabe der Länge des
Weges durch die Einöde. Eugippius sprach von 200 Meilen, also umgerechnet rund
290 km. Daher gingen die Männer wohl nicht über den Radstädter Tauernpass in
das Salzachtal nach Iuvavum, um von dort die Straße entlang der Voralpen zu nut-
zen. Sie folgten eher der römischen Straße über den Katschberg, das Murtal, den
Hohentauern Pass sowie den Pyhrnpass. Alternativ könnten sie den Radstädter Tau-
ern überschritten und dann über das Ennstal zum Pyhrnpass gelangt sein. Diese
etwa 260 bzw. 290 km langen Routen waren beide in der Spätantike tatsächlich
größtenteils recht einsam.173 Nach dem Verfall der römischen Straße wurde dieser
Übergang als befahrbare Straße erst wieder Anfang des 16. Jh. ausgebaut.174
Die Eroberung des Ostalpenraumes Ende des 6. Jh. durch die Slawen und Awa-
ren bedeutete einen starken Eingriff in die Struktur und Nutzung der Verkehrs-
171 Grabherr, Michlhallberg 100 f.
172 Eugippius, Vita s. Severini c. 29.
173 Es gibt hier aus dieser Zeit lediglich einige Streufunde, besonders Münzen. Steinklauber, Das spät-
antike Gräberfeld auf dem Frauenberg 184. Siedlungsleer war das Gebiet dennoch nicht, wie das
Überleben von romanischen Ortsnamen zeigt. Hausner/Schuster, Altdeutsches Namensbuch zur
Herkunft der Ortsnamen „Liezen“, „Enns“, „Öblarn“. Zur Straßenführung siehe auch die Über-
sichtskarte in Alföldy, Noricum.
174 Klein, Beiträge 415. Das Saumwesen blieb aber trotzdem weiter bestehen.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361