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Christentum 185
den in Notsituationen beistünden, ist ein Gedanke, der erst in karolingischer Zeit
aufkam.69
Die Patrozinien der Kirchen können auch einen Hinweis auf das Alter der Kir-
che geben, entweder aufgrund der Lebenszeit des/der Heiligen oder der für die
Zeit typischen „Mode“-Heiligen. Allerdings kann aus dem Namen allein nicht auf
das Alter geschlossen werden, da gerade die großen Heiligen oft über lange Zeit-
räume immer wieder beliebt waren. Patrozinien wurden auch gewechselt oder
addiert, sodass ein neuerer Heiliger den älteren überlagern oder sogar verdrängen
konnte. Auch eine Kirche, die in der Spätantike erbaut wurde, kann demnach ei-
nem oder einer Heiligen gewidmet sein, der/die erst im hohen Mittelalter lebte.
Erst etwa ab dem 12. Jh. werden Patrozinien bis in die heutige Zeit beibehalten.70
Die Patrozinienlandschaft der Alpen zeigt einige Besonderheiten. Auch im Ge-
birge war beispielsweise der heilige Martin ein im frühen Mittelalter außerordent-
lich beliebter Heiliger. Dies erklärt sich jedoch nicht nur aus seiner Stellung als
„Hofheiliger“ der fränkischen Herrscher. Vor allem in den Westalpen gilt er auch
als Gebirgsheiliger, da er laut seiner Vita mehrmals die Alpen querte und dort mit
Gottes Hilfe räuberische Alpenbewohner zum Christentum bekehren konnte.71
Als weiterer typisch fränkischer Heiliger gilt St. Maurice. Dieser Heilige hatte
laut Legende sein Martyrium nahe der Abtei St. Maurice d’Agaune im Wallis am
Weg über den Großen St. Bernhard gefunden. Der burgundische König Sigismund
gründete 515 dieses Kloster und machte es quasi zum burgundischen Hauskloster.
Auch die nachfolgenden merowingischen Burgunderkönige schätzten die Abtei
und den Heiligen außerordentlich. Ende des 8. Jh. galt der heilige Mauritius unter
Theuderich III. bereits als einer der Schutzherren der Merowinger, der unter an-
derem auch in St. Gallen zu finden ist.72 Da Mauritius noch bis weit ins Mittelalter
hinauf besonders als Militärheiliger sehr beliebt war, kann man sein Patrozinium
alleine nur selten für das Alter einer Kirche heranziehen.73
Wie auch im flachen Land wurden viele Kirchen und Klöster der Alpen den
jeweiligen „Bistumsheiligen“ gewidmet, beispielsweise St. Markus und Hermago-
ras für Aquileia oder St. Rupert für Salzburg.74 Der heilige Dionysius, Patron des
fränkischen Reichsklosters St. Denis, hinterließ seine Spuren unter anderem als
Patron der Klöster Scharnitz und Innichen an den wichtigen Passstraßen der zen-
69 Flachenecker, Patrozinienforschung 145 und 147.
70 Ebd. 152.
71 Prieur, Dieux et Saints Protectéurs des Routes et des Cols 58 f.
72 Blanke, Columban und Gallus 107.
73 LexMa „Mauritius“ (K. H. Krüger).
74 Flachenecker, Patrozinienforschung 148 ; Waldmüller, Die ersten Begegnungen der Slawen 586.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361