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Christentum 191
verlegt worden.102 Diese Interpretation bleibt dennoch problematisch, da es sonst
keine weitere Nennung eines Bistums Virunum gibt.103
Bei aller Unsicherheit steht jedoch eines fest : Die erwähnten Bistümer liegen im
bzw. um den Ostalpenraum und zeigen, dass die fränkische Kirche ungezwungen
in Gebieten tätig war, die eigentlich von Aquileia mit Bischöfen und Priestern ver-
sorgt werden sollten. Zusätzlich zu diesen politischen Unsicherheiten wurde das
Christentum der Ostalpen noch durch den sogenannten Drei-Kapitel-Streit belas-
tet, der eine Teilung des Patriarchates Aquileia zur Folge hatte. Im Konflikt ging
es um theologische Differenzen, die 544 zum Eingreifen des Kaisers führten. Es
handelte sich um Schriften dreier Theologen, die als dem Nestorianismus nahe an-
gesehen wurden, die sogenannten „drei Kapitel“.104 Der Kaiser verbot diese Texte.
Der Papst folgte diesem Schritt erst unter Druck nach einigen Jahren, da es hier
auch um die kaiserliche Einflussnahme in kirchliche Belange ging. Die Bischöfe
Venetiens und Istriens hingegen weigerten sich bis 607 zuzustimmen. Danach kam
es zur Spaltung : Der im byzantinischen Grado residierende Patriarch beschloss,
die kaiserliche Vorgabe zu akzeptieren. Als Reaktion darauf wählten Bischöfe des
langobardischen Teiles der Provinz einen neuen Patriarchen von Aquileia, der mit
Unterstützung der langobardischen Herrschenden in Cormons residierte. Grado
hingegen blieb dem Kaiser verpflichtet.105 Fast hundert Jahre später, 698/99, wurde
das Drei-Kapitel-Schisma beendet. Die lange Dauer des Konfliktes in Norditalien
hatte jedoch dazu geführt, dass Grado und Aquileia getrennt weiterbestanden und
in der Folge über ihre Besitzungen stritten.106
Standortverlagerungen über eine größere Entfernung und sogar das völlige Ver-
schwinden eines Bistums waren im frühen Mittelalter nichts Ungewöhnliches.107
Die Gründe dafür waren unterschiedlich. Es konnte sich um eine Art „Flurberei-
nigung“ wegen eines zu dichten Netzes an Bistümern handeln, wie beispielsweise
in den südlichen Seealpen.108 Die Konkurrenz zwischen Bistümern untereinander
102 Es gibt in der näheren und weiteren Umgebung einige Höhensiedlungen mit Kirchen. Glaser, Frü-
hes Christentum 121 ff. Am wahrscheinlichsten kommt der Grazerkogel für das spätantike Virunum
in Betracht ; Gleirscher, Karantanien 52. Vetters, Kontinuität 38 f., vermutet, dass der Hemmaberg
als Fluchtbistum für Virunum diente. Die Kirchendichte am Hemmaberg lässt jedenfalls eine über-
regionale Bedeutung vermuten, s. u. und Glaser, Der frühchristliche Kirchenbau 425.
103 Berg, Bischöfe 83. Auch für ein hypothetisches „Breonen“-Bistum ware dies der einzige Beleg.
104 Dazu : Chazelle, Cubitt (Hg.), The crisis of the Oikoumene.
105 Wolfram, Grenzen und Räume 97 ; Krahwinkler, Le patriarchat d’Aquilée 26 f.
106 Krahwinkler, Friaul 69 ff.; LexMa „Drei-Kapitel-Streit“ (J. Speigel).
107 Pohl, „Das sanfte Joch Christi“ 267 erwähnt mittelitalienische Diözesen, die aufgegeben wurden
„[…] ohne daß man sich im Rom des Papstes Gregor darüber gezielt Rechenschaft ablegte“.
108 Beaujard, Les Cités de la Gaule Méridionale 23.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361