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Christentum 209
haupt eine gültige Taufe hätten, wenn diese von ungebildeten Priestern vollzogen
worden wäre.207 Manchmal wird angenommen, es handle sich bei diesen Klerikern
um mangelhaft ausgebildete Missionare aus dem Frankenreich, Irland oder By-
zanz. Doch gerade als Missionare hätten diese doch wohl zumindest die korrekte
Taufformel gekannt.208 Es handelte sich also eher um einheimische Priester.
Auch im Alpenraum selbst gibt es zumindest eine von den Slawen beherrschte
Gegend, wo es sehr wahrscheinlich ist, dass eine christliche Gemeinde überleben
konnte. Auf dem Lavanter Kirchbichl, das spätantike Aguntum, steht heute noch
eine mittelalterliche Kirche auf spätantiken Resten. Fundamente einer weiteren
befinden sich in unmittelbarer Nähe. Auch in der näheren Umgebung, etwa in
Ober lienz, gibt es eine Kultkontinuität.209 Für diese durchgehende Traditionslinie
kommen mehrere Gründe in Betracht. Der Raum des heutigen Lienz lag an der
Peripherie des slawischen Siedlungsgebietes, die slawische Einwanderung war daher
möglicherweise geringer und das Interesse, christliche Strukturen zu zerstören, nicht
so stark. Gleichzeitig könnte dieser Raum im frühen Mittelalter eine sehr wichtige
Rolle gespielt haben. Die Überlieferung der Schlacht zwischen Slawen und Awaren
gegen die Baiern 610 bei Aguntum deutet an, dass dieser Raum von großem Inter-
esse war.210 Dies dürfte einerseits durch den Bergbau in der Region bedingt gewesen
sein, andererseits lag das Lienzer Becken am Kreuzpunkt wichtiger alpiner Rou-
ten : Hier kreuzte sich die bedeutende West-Ost-Traverse der Alpen, von Churrätien
über den Vinschgau und das Pustertal in das Drautal Richtung Osten und die Donau,
mit einer Nord-Südverbindung von Salzburg und Baiern über die Hohen Tauern
Richtung Italien.211 Im hohen Mittelalter war der Weg von Rauris über das Hochtor
nach Lienz und dann über den Plöckenpass oder Innichen weiter nach Oberitalien
fast genauso bedeutend wie die Radstädter Tauern.212 Falls es im 6. und 7. Jh. einen
Verkehr von Geistlichen und/oder Pilgern und Pilgerinnen aus Salzburg Richtung
207 MGH Conc. 2.1, S. 176.
208 Pohl, Awaren 204. Dass ungebildete Missionare durchaus ein Problem waren, zeigt auch die Be-
schwerde des Bonifatius aus dem Jahr 746, der schreibt, dass Priester „in nomine patria et filia“
taufen würden. Doch auch hier ist unklar, ob es sich um einheimische, Dialekt sprechende Kleriker
aus einer spätantiken Kirchentradition gehandelt hatte, oder um zugereiste. Wolfram, Grenzen und
Räume 115 ; S. Bonifatii et Lulli epistolae Nr. 68 MGH Epist. III, S. 336.
209 Stadler, Oberlienz 765 ff.; Tschurtschenthaler, Lavant 771 ff.
210 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 10 und 39.
211 Siehe dazu der Abschnitt über die Tauern- und Karawankenübergänge ab S. 143.
212 Klein, Salzburg 279. Siehe auch im Kapitel über die Pässe. Der kürzeste Weg führte von Lienz über
Innichen in ca. 520 km nach Ravenna, im Gegensatz zu dem ca. 620 km langen Weg, wenn man
den Brenner nutzte. Aber auch die Romreise war über diese Route kürzer : ca. 925 km gegen ca.
885 km, das bedeutet einen Unterschied von 40 km, also immerhin etwa ein bis zwei Tage Fußweg.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361