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Der Ostalpenraum : Von Binnennoricum zu Karantanien 329
Die typisch romanischen Funde werden einfacher, verschwinden aber nur lang-
sam. Die jüngsten dieser Fundstücke entstammen aus der Zeit, als das Land schon
einige Jahrzehnte in slawisch-awarischer Hand war. Spezialisiertes Handwerk gab
es bald kaum mehr, ebenso wenig überregionalen Handel.168
Der binnennorische Raum verfügte somit schon vor der slawisch-awarischen
Eroberung über keine guten Verbindungen mehr zu internationalen Handelsrou-
ten. Die fehlenden schriftlichen Quellen deuten darauf hin, dass die Eliten im „in-
ternationalen“ Vergleich bedeutungslos geworden waren und die Wirtschaft sich
auf lokaler Ebene abspielte. Die Aufgabe der Kirchenbauten kann also auch öko-
nomische Gründe gehabt haben, da es an Geld für Reparaturen fehlte und es keine
dafür notwendigen Spezialisten mehr gab. Die materielle Kultur der Romanen Bin-
nennoricums unterschied sich um das Jahr 600 qualitativ vermutlich nicht sehr von
der der einwandernden Slawen.
Die slawische Expansion des 6. und besonders des 7. Jh. ist besonders in der
Archäologie Gegenstand zahlreicher Diskussionen.169 Es ist offen, wann wie viele
Menschen aus welchen Gegenden einwanderten, wie stark die einheimisch-roma-
nische Bevölkerung noch war und wie sehr sie sich behaupten konnte. Akkultura-
tionen beider Bevölkerungsgruppen machen die Auswertung der archäologischen
Funde sehr schwer. Letztendlich dürfte diese Frage kaum zu klären sein. Sicher
scheint nach dem momentanen Forschungsstand nur, dass man den romanischen
Anteil an der Bevölkerung nicht unterschätzen sollte.170 Archäologisch werden
die Quellen in den Ostalpen beispielsweise von E. Szameit so interpretiert, dass
„[…] eher von einem Sprach- und Systemwechsel, nicht aber von einem Bevölke-
rungswechsel auszugehen“ ist.171 Die slawische Kultur war gerade für die ärmere
romanische Bevölkerung so attraktiv, dass sie größtenteils übernommen wurde.172
Aber auch die Oberschicht konnte sich in vielen Fällen wohl mit den Eroberern
arrangieren.
Das beste Beispiel einer gelungenen „Slawisierung“ ist der fränkische Geschäfts-
mann Samo, der es schaffte, sich zum König eines slawischen Reiches aufzuschwin-
denn die wenigen Quellen des 8. und beginnenden 9. Jh. zeigen eine hierarchische Gesellschaft mit
offensichtlichen Wurzeln in der Spätantike (s. o.).
168 Schretter, Von Noricum mediterraneum 146 f.
169 Barford, The early slavs ; nicht unumstritten : Curta, The making of the Slavs.
170 Szameit, Zum archäologischen Bild der frühen Slawen 518. Romanisches in den Ortsnamen : Gleir-
scher, Karantanien 64 f.
171 Szameit, Zum archäologischen Bild der frühen Slawen 522.
172 Pohl, Awaren 127 ; Strategikon des Maurikios XI 4 ed. Gamilschegg 381 übersetzt „Romäer[n] […]
die im Lauf der Zeit zu (Slawen) wurden“.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361