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Der Ostalpenraum : Von Binnennoricum zu Karantanien 331
Viele der ersten Missionare Karantaniens stammten aus der romanischen Be-
völkerung Salzburgs.178 Dies führte zu Überlegungen, ob nicht doch ein Teil der
karantanischen Bevölkerung noch Romanisch sprach.179 Man könnte jedoch an-
gesichts der geografischen Nähe zu von Slawen bewohnten Gebieten auch den
umgekehrten Fall andenken : Möglicherweise sprachen die Salzburger Missionare
slawisch.180 Mehrsprachigkeit dürfte in den Ostalpen durchaus verbreitet gewesen
sein. So erzählt Paulus Diaconus von einem Langobardenfürsten, der Mitte des
7. Jh. mit den Slawen in ihrer Sprache redet.181 Im Raum Aguntum wurden lange
Zeit drei Sprachen gesprochen. Hier zeigen die topografischen Namen das Zusam-
menleben einer bis weit ins Mittelalter hinein heterogenen, Slawisch, Deutsch und
Romanisch sprechenden Bevölkerung. Dass diese gemeinsam an den Rodungstä-
tigkeiten des hohen Mittelalters beteiligt waren, zeigt die Ortsnamensforschung :
Aus dem romanischen Wort „runca/runcu“ für „Rodung“ wurde in Osttirol bei
Kals ein romanischer Hofname Ranggetín(er), ein „deutscher“ Hofname Rantsch-
ner und ein „slawischer“ Rantschnigg.182 Die Dreisprachigkeit reichte bis in den
Salzburger Raum, wo ebenfalls nach dem Zeugnis der Ortsnamen Slawen, Roma-
nen und später auch Deutschsprachige nebeneinander gelebt hatten. Der hohe
Göll nördlich des Pass Luegs innerhalb der „Salzburger Romania“ wird ebenso
slawisch interpretiert wie auch Orte im Salzachtal nahe Bischofshofen, im Fritz-
tal sowie einige anderen Ortsnamen im Lammertal, das nördlich des Pass Lueg
liegt.183 Ebenso sind zahlreiche Namen im Großarltal, Gasteiner Tal und einige im
Rauriser Tal slawischer Herkunft.184
178 Wolfram, Salzburg, Bayern Österreich 46.
179 Dopsch, Geschichte Salzburgs 116 ; Baltl, Die Steiermark im Frühmittelalter 67.
180 Dies deutet die Geschichte des Priesters Ingo, der als Missionar in Karantanien tätig war, zumindest
an. Ansonsten zeigen die Freisinger Denkmäler aus dem Ende des 10. Jh., dass die Geistlichen sich
bemühten, das Slawische zu erlernen. LexMa „Freisinger Denkmäler“ (S. Vilfan). Im vorigen Kapi-
tel wurde bereits dargelegt, dass gerade die Gegend an der Slawengrenze im Pongau im 8. Jh. noch
zur Gänze romanisch war. Möglicherweise waren es Priester und Missionare aus diesem Raum, die
auch das Slawische beherrschten.
181 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 44.
182 H.D. Pohl, Slavia submersa 7.
183 Moosleitner, Die Merowingerzeit 110, 114 f.; Reiffenstein, Von Sprachgrenzland 56 ff. Der dane-
benliegende Berg namens Tristkopf könnte laut Ansicht der Verfasserin ebenfalls slawischen Ur-
sprunges sein, denn eine analoge Ableitung von slaw. Trst = Schilf, Sumpf liegt auch in Osttirol in
Tristach (Karwiese, Ager Aguntinus 60) sowie in den Schladminger Tauern am Berg „Tristhof“ vor.
184 Dopsch, Geschichte Salzburgs 115.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361