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I. Einleitung
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Auch vor dem Hintergrund politischer Auseinandersetzungen um die Korporatio-
nen werde „vielfach zweckgerichtet gearbeitet“ und sei das Motiv der Kritikabwehr
bzw. der Korrektur vorherrschender Fremdbilder „nicht zu unterschätzen“.16 Nach
innen hin bestünden Zwecke burschenschaftlicher Geschichtsschreibung in der Tra-
ditions- und Identitätsstiftung , was die Arbeiten gleichfalls „oft zur Apologie“ ge-
raten und ihre Autoren „eine so nicht gegebene Erfolgsgeschichte ( konstruieren )“
lasse.17 Überdies äußere sich , so Christian Jansen , die „unmittelbare , biographisch be-
gründete Betroffenheit“ der meisten Studentenhistoriker auch in einer „introvertier-
ten Schreibweise“, durch die viele Arbeiten sich „in hohem Maße dem wissenschaft-
lichen Diskurs“ entzögen.18
Angesichts der polarisierten Forschungslandschaft mag kaum verwundern , dass Dar-
stellungen von Geschichte und Gegenwart akademischer Burschenschaften in Österreich
von einem auffälligen Kontrast geprägt sind : Selbstdarstellungen als Vorkämpfer von De-
mokratie und Freiheitsrechten seit jeher stehen Beiträge ‚von außen‘ gegenüber , die bur-
schenschaftliche Geschichte weitgehend auf Bücherverbrennungen , ‚Arier paragraphen‘
und ( neo-)nationalsozialistische Umtriebe reduzieren. Tatsächlich stellt die im frühen
19. Jahrhundert ihren Ausgang nehmende burschenschaftliche Geschichte höchst unter-
schiedliche Bezugspunkte bereit
– für den heutigen Burschenschafter ebenso wie für die
HistorikerIn. Kämpfe um die Erweiterung politischer Teilhaberechte und individueller
Freiheiten finden sich darin ebenso wie solche um deren Abschaffung ; liberale Streiter
gegen den Klerikalismus ebenso wie rechtsextreme Bombenwerfer.
Vor diesem Hintergrund soll dieses Buch eine differenzierte , systematische und
zeitlich umfassende Darstellung des politischen Denkens und Handelns von Bur-
schenschafte( r )n in der Zweiten Republik liefern , dabei allerdings den Rahmen ei-
ner bloß beschreibenden Organisationsgeschichte überschreiten. Die gleichberechtigte
Aus einandersetzung mit der Ideologie und der politischen Praxis von Burschen-
schafte( r )n sollte es vielmehr ermöglichen , ihr politisches Verhalten nicht nur zu
porträtieren , sondern auch nachvollziehbar zu machen. Im Kern ging es dabei darum ,
mehrere Jahrzehnte burschenschaftlicher Betätigung auf deren Strukturmerkmale hin
zu untersuchen. Dabei waren
– unter angemessener Berücksichtigung von inneren Wi-
dersprüchen und Veränderungen des Gegenstandes über die Zeit
– jene handlungslei-
tenden Motive und Denkfiguren sowie jene Praxen herauszuarbeiten , die für den bur-
schenschaftlichen Mainstream in Österreich als charakteristisch gelten können. Im
Sinne einer adäquaten zeithistorischen Einbettung war das burschenschaftliche Denken
und Handeln darüber hinaus auf seine gesellschaftlichen Ermöglichungs bedingungen
16 Ebd., 11 f.
17 Lönnecker 2009a , 115. Vgl. auch Cerwinka 2009 , 91.
18 Jansen 1998 , 436.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619