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I. Einleitung
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Gesamtmitgliederzahl der erfassten Bünde dürfte österreichweit zu keinem Zeitpunkt
nach 1945 die 4.000 erreicht haben.21
Vieles des über akademische Burschenschaften zu Sagenden trifft auch auf andere
völkische Korporationen
– Landsmannschaften , Corps , Vereine Deutscher Studen-
ten usw. – zu. Diese werde ich , ebenso wie das katholische Verbindungswesen und
Burschenschaften in der Bundesrepublik Deutschland , immer wieder streifen , um
die Befunde über akademische Burschenschaften zu ergänzen und gegebenenfalls zu
kontrastieren. Dass ich den Fokus auf Letztere lege , verdankt sich dem Umstand ,
dass diese zum einen seit jeher ein besonders prononciert politisches Selbstverständ-
nis und zum anderen ein ideologisch vergleichsweise homogenes Profil aufweisen.
Zeitlich verfolgt das Buch burschenschaftliche Entwicklungen von der Restauration
der völkischen Verbindungen um 1950 bis in die jüngste Vergangenheit. Parteipolitik
wird , von den statistischen Erhebungen in Kapitel V.1 und vereinzelten Ad-hoc-Ver-
weisen abgesehen , nur bis zum Anbruch der Ära Heinz-Christian Straches als FPÖ-
Obmann 2005 behandelt , um ein Mindestmaß an Distanz zum tagespolitischen Ge-
schehen zu wahren.
Was meint ‚politisches Handeln‘?
Die in diesem Buch dargestellten Forschungsergebnisse wurden auf Basis des For-
schungsprogramms der Grounded Theory nach Juliet Corbin und Anselm Strauss er-
arbeitet. Im Sinne des symbolischen Interaktionismus , der diesem Ansatz zugrunde
liegt , analysiere ich Handeln als strategisches , auf die Lösung von Problemen bzw. He-
rausforderungen durch Umweltanforderungen gerichtetes Handeln , wobei die konkrete
Gestalt der Herausforderungen in den subjektiven Interpretationen fußt , welche die
AkteurInnen sich von der sozialen Wirklichkeit machen.22 Das politische Handeln von
Burschenschafte( r )n im Zeitverlauf kann somit nur verstanden werden , wenn es ge-
lingt , die Problemstellungen zu identifizieren , denen sie sich gegenübersahen und zu
deren Bewältigung ihr Handeln subjektiv Sinn ergab.23
21 Mit Ende des Sommersemesters 1960 , das in die Hochphase burschenschaftlicher Rekrutierung nach
1945 fiel , verfügten die DBÖ-Bünde über insgesamt 3.656 Mitglieder , davon 3.036 Alte Herren ( vgl.
BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/5 zur Niederschrift des ord. DBÖ-Tages 1961 , 1 ). Im Jahr 1958/59 be-
trug die gerundete durchschnittliche Bundgröße 106 Alte Herren und 21 studentische Mitglieder ( vgl.
BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/5 zum Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 8 ). Mitte der 1990er-Jahre
gab die DBÖ die Stärke ihrer damals 24 Mitgliedsbünde mit durchschnittlich „rund 80“ an ( AVSt ,
DBÖ 1994 , 5 ).
22 Vgl. Corbin/Strauss 1996 , 164 ; grundlegend Blumer 1986. Zur handlungsmotivierenden Rolle von Ideo-
logie vgl. die Ausführungen zur ‚relativen Autonomie des Ideologischen‘ in Kapitel III.7.3.
23 Vgl. dazu auch Ute Frevert ( paraphrasiert in Lönnecker 2002 , 13 ): gerade weil das Verbindungsstuden-
tentum „heute auf viele Menschen so fremd und befremdend wirke , müsse die historische Untersuchung
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619