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I. Einleitung
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Sinn. In dieselbe Richtung wies der prioritäre Stellenwert des ( deutschen ) Volkstums-
bekenntnisses innerhalb der burschenschaftlichen politischen Agenda : Anstelle des al-
ten ‚Anschluß‘-Wunsches trat angesichts der veränderten politischen und rechtlichen
Realitäten das Ziel einer zumindest kulturellen ‚Deutscherhaltung‘ ins Zentrum bur-
schenschaftlichen Strebens.
Zur Relevanz individuellen Handelns
Meine Berücksichtigung des Handelns einzelner Burschenschafter außerhalb burschen-
schaftlicher Zusammenhänge folgt der Annahme , dass seit jeher ein sehr wesentlicher
Teil burschenschaftlichen politischen Einflusses just auf solchem Wege ausgeübt wurde.
Nichtsdestotrotz ist offenkundig , dass Burschenschafter in ihrer Verbindungsmitglied-
schaft nicht aufgehen , sondern stets auch als Männer , Angehörige einer ( wie auch immer
bestimmten ) ‚ethnischen Mehrheitsbevölkerung‘ , Akademiker u. a. m. handeln. Dies wirft
die Frage auf , inwieweit individuelles Handeln außerhalb der Burschenschaft überhaupt
als ‚burschenschaftliches Handeln‘ aufgefasst werden kann
– d. h. als Handeln , auf dessen
Grundlage sich legitimerweise Aussagen über burschenschaftliche Kollektive formulie-
ren ließen. Dazu ist zunächst festzuhalten , dass der individuellen Handlungsfreiheit des
Burschenschafters Grenzen durch den Bund gesetzt werden : Wer , auch im beruflichen
oder privaten Umfeld , ein Verhalten an den Tag legt , das als mit burschenschaftlichem
Denken unvereinbar und/oder das Ansehen des Bundes schädigend eingestuft wird , hat
mit Ausschluss zu rechnen ( vgl. dazu die Kapitel III.8.4 f. und V.2 ). In Anbetracht dessen
ist davon auszugehen , dass Handlungen einzelner Burschenschafter über darauf folgende
( oder auch ausbleibende ) Sanktionierung Rückschlüsse auf das Spektrum bundintern als
tolerabel geltender Meinungen bzw. Handlungsweisen zulassen.
Als zweites Argument für das gewählte Vorgehen sei der Stellenwert burschenschaft-
licher Sozialisation für das Individuum angeführt. Nicht nur ist es die deklarierte Ab-
sicht von Burschenschaften , das Verhalten jedes Mitglieds in allen Lebensbereichen zu
prägen ; einiges deutet auch darauf hin , dass sie mit ihrem umfassenden Erziehungs-
anspruch soziale Zusammenhänge von außerordentlich hoher sozialisatorischer Präge-
kraft darstellen.26 Freilich werden die von ihnen verabreichten pädagogischen Impulse
von den Individuen unterschiedlich verarbeitet. Wie stark Identität und Handeln des
Burschenschafters durch seine Sozialisation in der Verbindung geformt sind , ist daher
von Fall zu Fall verschieden. Haltbare Rückschlüsse von individuellem Handeln auf
kollektive Merkmale bedürfen daher einer über bloße sozialisatorische Verbundenheit
hinausreichenden Begründung. Eine solche kann zum Ersten im Aufzeigen konkreter
26 Vgl. die Kapitel III.1 bis III.3 sowie zur burschenschaftlichen bzw. allgemein verbindungsstudentischen
Sozialisation auch Heither 2000 , 59–78 , bzw. Peters 2004.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619