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I. Einleitung
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rung : Je umfassender historischer Wandel und Heterogenität eingefangen werden kön-
nen , desto größer die Spannweite und desto höher die Präzision der aus den Kategorien
gebildeten gegenstandsbezogenen Theorie. Die Kategorien sollten dementsprechend
eine möglichst große Bandbreite an Fällen ( Handlungsweisen ), an Variation über die
Zeit wie auch über die Breite des Gegenstandes in sich aufnehmen können. In diesem
Sinne wurde die Arbeit an den Quellen fortgesetzt , bis ein Punkt der „theo retische( n )
Sättigung“ erreicht schien , also keine neuen Phänomene mehr auftauchten , die als zu-
sätzliche Variation konzeptuell zu integrieren gewesen wären.38 Bis dahin mussten die
Kategorien stets von Neuem ihre Plausibilität an den Daten erweisen bzw. gegebenen-
falls entsprechend modifiziert werden.39
Dieses Erfordernis erstreckte sich auch auf Aussagen über Zusammenhänge ( im
Sinne von Einflussfaktoren , Wechselwirkungen und Pfadabhängigkeiten ). Parallel zur
Verdichtung der Kategorien galt es , ihre Ursachen- , Konsequenz- und Bedingungs-
strukturen zu erhellen , d. h. nicht nur die Bandbreite burschenschaftlicher Handlungs-
formen zu erfassen , sondern auch die ihnen zugrunde liegenden Interpretationen , In-
tentionen , Ermöglichungs- und Begünstigungsfaktoren sowie die Auswirkungen des
beobachteten Handelns für späteres Handeln. Im Zuge dessen waren Einflüsse auf
den unterschiedlichsten Ebenen zu berücksichtigen : nationale und internationale poli-
tische Kontextbedingungen , ideengeschichtliche Traditionen , Merkmale der österrei-
chischen politischen Kultur , soziale und ökonomische Umbrüche , rechtliche Rahmen-
bedingungen u. a. m. Gleichzeitig waren die Beziehungen zwischen den Kategorien ( als
den konzeptuellen Abbildern der beobachteten Denk- und Handlungsmuster ) heraus-
zuarbeiten , wie etwa die wechselseitige Verwiesenheit von elitärer Selbstwahrnehmung ,
gesellschaftlichem Führungsanspruch , oppositioneller Grundhaltung und dem Hang
zur Selbstviktimisierung ( vgl. Kapitel III.6 ). Als jenes Phänomen , das wie kein ande-
res der identifizierten Strukturmerkmale burschenschaftlicher Politik und Ideologie in
Österreich nach 1945 geeignet ist , die feststellbaren burschenschaftlichen Handlungs-
muster nachvollziehbar zu machen , habe ich den deutsch-völkischen Nationalismus
identifiziert. In der , im Sinne intersubjektiver Nachvollziehbarkeit materialreich unter-
mauerten Anordnung der Forschungsergebnisse um diese Kategorie und zueinander
entstand die vorliegende interpretative Erzählung.
Zentrales Verfahren des Voranschreitens im Forschungsprozess war die Fallauswahl
im Wege des theoretischen Samplings.40 Dabei wurden auf Basis von in Memos und
Code-Notizen festgehaltenen Zwischenergebnissen und aus dem Erkenntnisinteresse
38 Corbin/Strauss 1996 , 159.
39 Vgl. Strauss 1991 , 172.
40 Anders als Stichprobenziehungen zielt diese zirkuläre Form des Samplings nicht auf statistische , sondern
auf qualitative Repräsentativität im Sinne der zuvor erwähnten theoretischen Sättigung ab ( vgl. ebd., 71 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619