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I. Einleitung
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waren strikt unter Verschluss zu halten.54 Damals wie in der jüngsten Vergangenheit
befürchteten insbesondere die am weitesten rechts stehenden Burschenschaften , mo-
deratere Bünde könnten versuchen , ihre Anliegen durch gezielte Indiskretionen zu
hintertreiben.55
Wenngleich Misstrauen gegenüber Bundes- und Verbandsbrüdern sowie Datenschutz-
erwägungen die erwähnten konspirativen Tendenzen verstärkten , waren Letztere doch
in erster Linie durch den Eindruck einer äußeren Bedrohung motiviert. Dabei ging es
nicht nur darum , Kritik von journalistischer oder wissenschaftlicher Seite keine Ansatz-
punkte zu liefern. Zumindest bis in die 1960er-Jahre hinein war unter Burschenschaften
in Österreich vielmehr auch die Befürchtung verbreitet , staatliche Stellen könnten Ver-
bote bzw. Auflösungen völkischer Verbindungen verfügen , wie dies historisch vielfach
der Fall gewesen war. Davon zeugt etwa ein Vorschlag von Suevia Innsbruck im Zuge
einer Debatte um die Gründung einer Vereinigung alter Burschenschafter für Österreich
1954 : Nach Vorstellung der Sueven sollte jene sich nicht als Einheitsverband , sondern
in Form einer losen Arbeitsgemeinschaft lokaler Einzelgruppen konstituieren , da eine
solche „niemals einer behördlichen Auflösung verfallen“ könne.56 Gerade in der Res-
taurationsphase und unter den Bedingungen der alliierten Präsenz erschienen solche
Überlegungen durchaus rational begründet
– und gaben zu allerhand Verschleierungs-
manövern Anlass ( vgl. Kapitel II.3 ). Wohlbegründet war auch die Geheimhaltung der
sogenannten Ehrenordnung der DBÖ
– jenes Regelwerks , das die rechtlich heikle Bei-
behaltung bzw. Wiederaufnahme des Duellwesens nach 1945 dokumentierte ( vgl. hierzu
die Kapitel III.4.2 und III.5.4 ). Vervielfältigungen derselben sollten wohlweislich „in
keine unbefugten Hände geraten“, wie ein führender DBÖ-Funktionär 1960 festhielt.57
Noch 1973 lehnte Libertas Wien eine Offenlegung selbst gegenüber den bundesdeut-
schen Burschenschaften mit der Begründung ab , dass die Österreicher „in der Veröf-
fentlichung ihrer Ehrenordnung ihre Existenz bedroht“ sähen.58
Jenseits der Duellfrage kamen Auflösungsängste v. a. in der Diskussion um eine Fu-
sion von DB und DBÖ zum Vorschein , die 1961 ihren vorläufigen Kulminationspunkt
erreichte. Geargwöhnt wurde , dass eine solche Fusion als Staatsvertrags-widrige Ma-
nifestation großdeutschen Strebens wahrgenommen werden könnte. Am DBÖ-Tag
54 Dies laut dem sogenannten Verbändeabkommen zwischen DB und DBÖ ; vgl. etwa BAK , DB 9 , C. IV.2
[ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 23 / 1960 ( Vorort Bremen ), 4.
55 Vgl. BAK , DB 9 , B. VI.15 [ C2 ], Protokoll einer Aussprache burschenschaftlicher Amtsträger mit Ab-
geordneten des Deutschen Bundestages , die der Deutschen Burschenschaft angehören , über eine Fu-
sion DB-DBÖ in Bonn am 19. 4. 1961 , 1 f. Zu Burschenschafts-interner Kritik an der Politik der Geheim-
haltung in der Fusionsdebatte vgl. u. a. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Protokoll der gemeinsamen Sitzung von
DBÖ- und Altherrentag 1960 , 13.
56 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 8.
57 BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 5.
58 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1973 , 17.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619