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I. Einleitung
32 Vieles spricht somit für Friedhelm Frischenschlagers Einschätzung , wonach die Aula
die politisch-ideologische Bandbreite des ‚nationalen‘ Verbindungswesens zu keinem
Zeitpunkt angemessen wiedergegeben habe.71 Vereinzelt findet Unmut über die Blatt-
linie sich auch in den Quellen dokumentiert. So war den Oberösterreicher Germanen ,
folgt man deren Chronikeintrag zum Sommersemester 1982 , „( d )as Niveau des Blat-
tes , das in manchem [ sic ] Beiträgen schon die Qualität minderwertiger ideologischer
Hetze annahm , ( … ) schon immer ein Dorn im Auge“ gewesen , „wobei man vor allem
einen gewissen Intellekt vermißt( )“ habe. Allerdings habe „unseres Wissens nach [ sic ]
noch immer niemand aus dem Kreise der Verbände und Korporationen an diesem
Blatt ( … ) Kritik geübt“.72 Dieser Kritikverzicht scheint mir die Repräsentativität der
Aula jedenfalls im Sinne der Abbildung hegemonialer Meinungen zu unterstreichen.
Von Letzteren abweichende Positionen galten dem Anschein nach als über den eige-
nen Bund hinaus nicht artikulierbar. Was in der Zeitschrift zu lesen war , repräsentiert
in diesem Sinne durchaus einen Mainstream , wenn auch nicht notwendig eine zahlen-
mäßige Mehrheit. Der Mainstream wiederum wurde von den erwähnten Kontrollins-
tanzen zwar mitgestaltet , in vielerlei Hinsicht exekutierten Letztere aber auch schlicht
( mehr oder weniger stille ) kollektive Übereinkünfte darüber , wohin das völkische Ver-
bindungswesen in der Zweiten Republik sich ( nicht ) entwickeln sollte. ( Vgl. zur inner-
burschenschaftlicher Meinungshegemonie weiterführend die Kapitel III.2.1 und III.2.3. )
Verbindungschroniken berichten zwar aus einer gewissen zeitlichen Distanz über
burschenschaftliches Geschehen , kompensieren dies jedoch häufig durch ausgiebigen
Rückgriff auf bundeigene Archivalien ( Conventsprotokolle , interne Semesterberichte
u. Ä. ), die Außenstehenden im Original nie zugänglich wären , sowie durch den Ein-
bau von Zeitzeugenberichten und privater Korrespondenz. Während der oft lücken-
hafte oder gar fehlende wissenschaftliche Apparat als Manko anzuführen ist , spricht
diese gute Quellenbasis für eine vergleichsweise hohe Zuverlässigkeit der Chroniken auf
der Faktenebene. Die Zeitzeugengespräche , da unter Bundesbrüdern geführt , verheißen
durch die ( jedenfalls vermeintlich ) höhere Mitteilsamkeit der Befragten ein Informa-
tionsplus gegenüber von außenstehenden ForscherInnen geführten Interviews. Ähn-
liches wäre auch für die Chroniken insgesamt zu erwarten : Im Wesentlichen richten
diese sich an Mitglieder , eventuell ergänzt durch das erweiterte persönliche und verbin-
dungsstudentische Umfeld der jeweiligen Korporation. Die politisch relativ homogene
Zielgruppe reduziert die Notwendigkeit , in der Darstellung der eigenen Geschichte
und Positionen die Begrenzungen des politisch-rechtlich Opportunen zu berücksich-
71 Interview vom 11. 12. 2009.
72 Oberösterreicher Germanen 1994 , 110. Auch der Innsbrucker Germane Sigurd Scheichl äußerte sich 1977
in einem bundinternen Rundschreiben kritisch über die Aula , wollte sie aber „als Sprachrohr unserer In-
teressen“ und als Informationsquelle erhalten wissen ( PBW , Schreiben Scheichls an seine Bundesbrüder
vom 23. 1. 1977 , 6 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619