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I.5 Zentrale Begrifflichkeiten
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bigkeit an den Tag legen , wohl aber eine Ethnisierung des Sozialen betreiben.89 Somit
kann Rechtspopulismus ein häufiges Stilmerkmal der extremen Rechten ( v. a. der par-
teiförmig auftretenden ) oder die Programmatik einer eigenen Gattung rechter Grup-
pierungen bezeichnen. Eine vollwertige Alternative zum Begriff des Rechtsextremis-
mus stellt der Terminus jedoch nicht dar : Wo er verwendet wird , um AkteurInnen mit
gefestigter rechtsextremer Weltanschauung zu benennen , wird nicht nur politischem
Stil der Vorrang vor politischem Inhalt eingeräumt , sondern auch die Verharmlosung
des in Rede stehenden Phänomens betrieben.
Unter Neonazismus fasse ich jenen Sektor des Rechtsextremismus , der nachweis-
lich wesentliche Inhalte und Ziele des historischen Nationalsozialismus teilt und/oder
sich vorwiegend positiv auf diesen bezieht. Der positive Bezug bzw. die inhaltliche
Übereinstimmung kann dabei auch anderen Strömungen als dem historisch domi-
nant gewordenen Hitler-Strang der nationalsozialistischen Bewegung gelten , etwa
dem ‚nationalen Sozialismus‘ der Strasser-Brüder. Die juristische Bestimmung des
Neo nazismus-Begriffs , wie sie in Österreich in Staatsvertrag und NS-Verbotsgesetz
sowie der einschlägigen Judikatur niedergelegt ist , gibt den Rahmen für die rechtlich
zulässige Verwendung des Begriffes ( zumal in seiner Anwendung auf konkrete Per-
sonen und Gruppierungen ) vor und kann daher auch in wissenschaftlichen Arbeiten
nicht ignoriert werden , ohne ein Klagsrisiko einzugehen. In rechtlich uneindeutigen
Fällen wurde daher in diesem Buch dem Rechtsextremismus-Begriff der Vorrang vor
jenem des Neonazismus gegeben.
Von Konservatismus wird in diesem Buch auf zwei unterschiedlichen , aber eng auf-
einander verwiesenen Bedeutungsebenen die Rede sein. Zum einen taucht er als Tradi-
tionalismus auf , als Neigung zum Festhalten an bestimmten sozialen Praxen und ideo-
logischen Überzeugungen um des Festhaltens willen. Zum anderen verwende ich den
Begriff zur Bezeichnung einer politischen Ideologie mit der sozialen Funktion , aufgrund
gesellschaftlicher Entwicklungsdynamiken prekär gewordene oder bereits überholte
( Herrschafts-)Verhältnisse zu sichern bzw. wiederherzustellen. Diese soziale Funktion
respektive die ihr entsprechende Wendung gegen über den Status quo hinausweisende ,
herrschaftskritische Sinnentwürfe und Bewegungen stellt letztlich das universellste und
konstanteste Merkmal des Konservatismus als Weltanschauung dar , der sich ansons-
89 Schiedel beschreibt Rechtspopulismus in diesem Sinne auch als moderatere Variante des Rechtsextremis-
mus. Als Unterscheidungsmerkmale über das Verhältnis zum historischen Faschismus/Nazismus ( distan-
ziert im Rechtspopulismus , ambivalent im Rechtsextremismus , affirmativ im Neofaschismus/Neonazismus )
hinaus nennt er „die unterschiedliche soziale Ausrichtung ( je rechter , desto sozialdemagogischer ), die ideo-
logische Grundierung der Tagespolitik ( je rechter , desto weltanschaulicher ), die Existenz von Antisemitis-
mus ( je rechter , desto antisemitischer ), das Verhältnis zu den USA ( je rechter , desto antiamerikanischer )
und die Einstellung zum Demokratischen ( je rechter , desto antidemokratischer ).“ ( Schiedel 2011 , 9 f. )
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619