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I. Einleitung
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ten weitestgehend einer abstrakten und überhistorisch gültigen Definition entzieht.90
Grebing fasst ihn dementsprechend auch als „die dem Demokratisierungsprozeß im-
manente Gegenbewegung“.91
Ein Versuch , weitere allgemeine Charakteristika des Konservatismus herauszuar-
beiten ( freilich im Sinne einer idealtypischen Bestimmung , wie sie zuvor für den
Rechts extremismus vorgenommen wurde ), könnte bei dessen axiomatischen Bezügen
ansetzen. Konservative Kritik am Bestehenden wird nicht vor dem Hintergrund eines
utopischen Gesellschaftsentwurfes – also dessen , was sein könnte – formuliert , son-
dern „im Namen des ‚Ewiggültigen‘ und der ‚wahren Natur‘ des Menschen“.92 Auch ge-
sellschaftliche Entwicklung und damit der historische Prozess wird naturalisierend , als
von vorgeb lichen anthropologischen Konstanten bestimmt , gedeutet.93 Versuche , der
postulierten ‚natürlichen‘ und/oder ‚göttlichen‘ Ordnung zuwiderzuhandeln , erscheinen
Konservativen folglich als frevelhaft und in ihren Konsequenzen fatal. Das konserva-
tive Menschenbild ist ein pessimistisches und lässt Autorität daher als Notwendigkeit
erscheinen.94 Ein zumindest latenter Individualismus spiegelt sich in der Wertschät-
zung von Institutionen
– Ehe/Familie , Eigentum , Kirche , Staat
– , die dem Menschen
für sein Wohlergehen vermeintlich unerlässliche Bindungen zur Verfügung stellten.95
Hervorgehobene Bedeutung kommt dabei der patriarchalen Familie als „Urzelle des
Staates und der Gesellschaft“ zu.96 Was der Patriarch der Familie , sind auf gesamtge-
sellschaftlicher Ebene die zur Führung ‚berufenen‘ und vorzugsweise männlichen Eli-
ten. Aufgrund dieser autoritären und elitaristischen Stoßrichtung geht Konservatismus
mit Demokratie stets „nur eine labile Verbindung ein“97
– seine ideologischen Grund-
konstanten treiben ihn beständig in Richtung Entdemokratisierung.
Die Überschneidungen von Konservatismus und Rechtsextremismus – in der anti-
demokratischen Tendenz , in zentralen Feindbildbestimmungen ( Antiliberalismus , An-
tisozialismus , Antifeminismus ) und nicht zuletzt in der sozialen Funktion der Herr-
schaftssicherung , in der die restlichen Gemeinsamkeiten ihre Wurzel haben – sind
schwer zu übersehen. So , wie nicht wenige Definitionsmerkmale des Rechtsextremis-
mus „aus konservativen Arsenalen“ stammen und von Rechtsextremen lediglich zuge-
90 Diese Nicht-Definierbarkeit entspricht auch dem Selbstverständnis des Konservatismus , wie Lenk un-
ter Verweis auf die konservative Skepsis gegenüber bzw. Ablehnung von kritisch-rationalem Denken und
gedanklicher Abstraktion zugunsten der Hingabe an die „Fülle des unreflektiert gebliebenen“, „wahren
Lebens“ argumentiert ( Lenk 1994b , 123 bzw. 143 ; vgl. auch ebd., 128 ).
91 Grebing 1973 , 202.
92 Lenk 1994b , 138.
93 Vgl. Fritzsche 1998 , 272 und 305.
94 Vgl. Lenk 1994b , 141.
95 Vgl. ebd., 125.
96 Ebd., 124.
97 Fritzsche 1998 , 307.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619